Stromsteuerwortbruch Lucas Zeise zu Lust und Risiken des Kapitalverkehrs
Von Lucas Zeise
Die Senkung der Stromsteuer »für alle« steht so im Koalitionsvertrag. Sie steht auch im erst Anfang des Monats verabschiedeten Sofortprogramm der Bundesregierung. Aber sie findet sich nicht in Finanzminister Lars Klingbeils Plänen zum Bundeshaushalt 2026 und wurde auch am Donnerstag nicht im Rahmen des wunderbaren »Wachstumsboosters« erwähnt. Das heißt, sie findet nicht statt. Die Empörung über diesen »Wortbruch« baut sich erst auf. Mit dabei sind bereits die Verbände des Handels und Handwerks, die Verbraucherzentralen, die Redaktion der Bild, die Grünen im Bundestag, Markus Preiß, Leiter des Hauptstadtbüros der ARD, und Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Das Schöne daran ist: diese Empörten haben recht mit ihrer Kritik. Der Bundestag beschloss am Donnerstag die von der Regierung eingebrachten Investitionsboostermaßnahmen, die natürlich höhere Sonderabschreibungen für Unternehmen schon im laufenden Jahr, weitere Steuersenkungen für die Unternehmen ab 2028, Sondervergünstigungen bei der Beschaffung von Elektrodienstfahrzeugen und – hier kommt’s – auch die Verlängerung der Senkung der für Industrie und Landwirtschaft bereits reduzierten Stromsteuer enthält. Die Senkung der Stromsteuer für alle, der einzige Posten, der für die Allgemeinheit eine kleine Erleichterung gebracht hätte, fehlt allerdings.
Unsereins ist von so was nicht überrascht. Schließlich haben Merz, Klingbeil & Co. von Anfang an deutlich gemacht, dass für sie Wachstumsförderung Profitförderung heißt. Es war wohl ein taktischer Fehler, die von allen Parteien gewünschte Stromsteuersenkung für alle im Eifer des Gefechts explizit in den Koalitionsvertrag aufzunehmen. Über den Vorwurf des Wortbruchs müssen die Regierer sich nicht wundern. Und die auch in diesem Fall vorgebrachte Ausrede, genau für diesen Punkt sei im Haushalt kein Geld mehr da, wird nicht einmal mehr von den Gutgläubigsten geglaubt.
Es geht dabei ungefähr um fünf Milliarden Euro jährliche Steuerausfälle. Umgekehrt würde eine Senkung der Stromsteuer von jetzt 2,05 Cent pro Kilowattstunde auf das von der EU geforderte Minimum von 0,1 Cent für eine vierköpfige Verbraucherfamilie knapp 100 Euro Ersparnis im Jahr bringen. Das ist nicht gerade sensationell viel Geld. Aber für den gewöhnlichen Geringverdiener macht es doch einiges aus.
Nett an der jetzigen Situation ist auch, dass die Regierung in der ihr eigenen Unprofessionalität dafür gesorgt hat, dass nicht nur die ganz Armen in diesem Fall benachteiligt sind, sondern dass sie auch das Kleingewerbe außerhalb der Industriebetriebe gegen sich aufbringt. Sogar die jetzige Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner, die als Staatssekretärin Robert Habecks die Bevorzugung der Industrie bei den Stromkosten eingeführt hatte, kann so gegen den »Wahlbetrug« der neuen Koalition wettern. Es besteht damit die Chance, dass die Rüstungs- und Kriegskoalition bei diesem kleinen Thema den Rückzug antritt.
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