Wenn der Gasmann wieder klingelt
Von Wolfgang Pomrehn
In Bonn sind die Vorverhandlungen für die diesjährige Klimakonferenz zu Ende gegangen. Einigen konnte man sich immerhin, die Finanzierung des Sekretariats der UN-Klimakonvention zu erhöhen. Ob aber die USA den ihr zugewiesenen erhöhten Anteil bezahlen werden, ist ungewiss. Die Trump-Regierung war den Gesprächen ferngeblieben.
Ansonsten blieben die Ergebnisse dürftig. »Die Delegationen sind nur zentimeterweise vorangekommen«, meinte der Oxfam-Klimaexperte Jan Kowalzig am Donnerstag gegenüber dpa. Einige Themen seien auf die UN-Klimakonferenz im November verschoben worden, die in Belém, Brasilien, stattfinden soll. »Das ist zwar nicht ungewöhnlich, angesichts der Dramatik der sich immer weiter verstärkenden Klimakrise und insbesondere der Folgen für die Länder des globalen Südens dennoch sehr frustrierend«, so Kowalzik. Erst Mitte der Woche hatte eine in den renommierten Geophysical Research Letters veröffentlichte wissenschaftliche Studie ergeben, dass die Gletscher der Schweiz allein seit 2020 rund 13 Prozent ihrer Masse verloren hätten. Die Folgen bekamen Anfang Juni die Bewohner des Schweizer Alpendorfes Blatten handfest zu spüren, deren Häuser von Schlamm- und Eislawinen begraben wurden, die der Gletscherschwund ausgelöst hatte.
Doch beim Klimaschutz hapert es weiter, und zwar gewaltig. Die 193 Mitglieder der Konvention müssen eigentlich im Vorfeld der Konferenz sogenannte bindende Selbstverpflichtungen abgeben. In diesen legen sie sich auf Klimaschutzmaßnahmen fest, die bis 2035 erreicht sein sollen. Bisher haben das aber noch nicht einmal 30 Staaten getan, auch die EU nicht. In der ist ein Streit darüber entbrannt, ob die ohnehin unzureichenden Klimaziele noch aufgeweicht werden sollen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist die bisher diskutierte 72,5prozentige Reduktion der Treibhausgasemissionen im Verhältnis gegenüber 1990 zuviel, wie Politico am Mittwoch berichtete. Auch die Bundesregierung sägt an den Zielen. Geht es nach ihr, müsste künftig ein Teil des Ziels nur auf dem Papier erreicht werden. Wer Klimaschutzmaßnahmen in anderen Ländern finanziert, bekäme dies dann als vermeintliche Verminderung seiner Emissionen gutgeschrieben.
Derweil stehen in Deutschland alle Zeichen auf Ausbau der Gasversorgung. Die Bundesregierung will neue Gaskraftwerke mit Subventionen bauen lassen und finanziert Flüssiggasterminals. Zum Beispiel in Brunsbüttel, an der Mündung des Nord-Ostsee-Kanals in die Unterelbe. Dort soll demnächst in der Nachbarschaft eines stillgelegten AKW mit angeschlossenem Atommüllager, eines Chemieparks und einer Sondermüllverbrennung der Bau eines solchen LNG-Terminals beginnen – finanziert aus Bundesmitteln.
Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin erklärte am Mittwoch gegenüber NDR, dass sich das kaum rechnen wird, »denn Flüssigerdgas ist relativ teuer«. Deutschland sei über Pipelines mit Gas aus anderen Ländern, vor allem Norwegen, gut versorgt. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hat sich unterdessen etwas Besonderes ausgedacht: Er will die Kosten der Gasspeicherung (einschließlich der Renditen) künftig über den Klima- und Transformationsfonds abdecken. Statt für den Klimaschutz gebe es also künftig Geld für die Infrastruktur des klimaschädlichen Erdgases.
Klingbeil ist übrigens zugleich SPD-Chef und lässt sich seinen am Freitag begonnenen Parteitag unter anderem von der »Gas- und Wasserstoffwirtschaft« sponsern, einem Lobbyverband von 130 Unternehmen der Branche. Auch die Firma Gasunie, die hierzulande ein nach eigenen Angaben 4.600 Kilometer langes Gasfernleitungsnetz betreibt und maßgeblich an der Etablierung einer Wasserstoffwirtschaft beteiligt ist, steht auf der Sponsorenliste.
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