Prinzipienlos aus Prinzip
Von Bernard Schmid
Es ist die zugleich umtriebigste, umstrittenste und eine der problematischsten Oppositionsgruppen. Vielen dürften in der Vergangenheit die Infostände der iranischen Volksmudschaheddin in europäischen Städten aufgefallen sein. Dort wurde in der Regel mit plakativen Bildern von Hinrichtungen im Iran die Aufmerksamkeit auf die dramatische Lage der Menschenrechte in dem mittelöstlichen Land gezogen. Der Hinweis auf diese objektive Realität trifft zu. Und dennoch kann das über die mindestens bedenklichen Aspekte der Praktiken dieser Gruppierung nicht hinwegtäuschen. Ebenso wenig, wie es die Frage beantwortet, was für ein Regime sie selbst errichten würde, fiele ihr die Macht in Teheran in die Hände – viele fürchten, es wäre nicht besser als das bestehende.
Das »Volk« in der Bezeichnung der Organisation ist die Übersetzung des persischen Worts »Khalq«. Der zweite Teil ihres Namens bedeutet soviel wie »Kämpfer«, mit religiöser Konnotation. Gegründet wurde sie 1965 von Teheraner Studenten. In den Folgejahren bemühte sich die in den siebziger Jahren auch bewaffnet agierende Oppositionsgruppe um eine »Synthese aus Islam und Marxismus«. Im späteren Verlauf ihrer Existenz blieb davon allerdings nicht viel mehr übrig als eine Mixtur aus einer Art alternativem Islamismus – von dem des derzeit herrschenden Regimes unterscheidet ihn vor allem, dass er überwiegend von religiösen Laien und nicht von Teilen des organisierten schiitischen Klerus getragen wird – und ein extremer Personenkult um das Anführerpaar, Massoud und Maryam Rajavi.
Im Zuge der Umbrüche von 1979, als der Schah ging und der Ajatollah Khomeini kam, arbeiteten die Volksmudjaheddin zunächst dem Gründer der »Islamischen Republik« zu und erhofften sich eine Machtbeteiligung. Vergeblich. In der Folge gingen sie zu einem Bürgerkrieg über, der auf ihrer Seite nicht nur Anschläge auf hohe Regimefunktionäre einschloss, sondern auch Morde etwa an kleinen Händlern, die ihre Hoffnungen noch auf Khomeini setzten. 1981 floh Massoud Rajavi nach Paris. Der Iran befand sich zu dem Zeitpunkt im Krieg mit dem Nachbarstaat Irak, den dessen Autokrat Saddam Hussein im September 1980 eröffnet hatte. Da »der Feind meines Feindes mein Freund« und das Denken Rajavis wenig differenziert ist, beließ er es nicht etwa bei revolutionärem Defätismus, sondern optierte für eine Eingliederung seiner Anhänger in die reguläre Armee des irakischen Regimes, mit eigenen Einheiten. Das isolierte sie in der iranischen Bevölkerung.
Die Kader der Gruppierung sitzen heute überwiegend in Paris – mit dem »Nationalen Widerstandsrat Irans« unter Maryam Rajavi – oder in Albanien, wohin 3.000 ihrer Mitglieder nach dem Sturz von Saddam Hussein im Irak 2003 mit Billigung der USA gebracht wurden. Massoud Rajavi ist seitdem von der Bildfläche verschwunden. Auf internationaler Ebene zeichnet sich die Organisation vor allem durch ihre absolute Prinzipienlosigkeit aus. Auf einem der grandios inszenierten Treffen des sogenannten Widerstandsrats in Villepinte bei Paris ließ dieser 2017 John Bolton auftreten, den anderthalb Jahre später geschassten »Sicherheitsberater« Donald Trumps – damals bereits ein Anhänger einer Bombardierung des Iran. 2019 wurde bekannt, dass die aus dem Iran stammende Organisation die extrem rechte Partei Vox in Spanien bei ihrer Gründung 2014 finanziert hatte. Sie hat schon immer unterwanderungsfähige Parteien gesucht, die ihr eine Stimme vor allem im EU-Parlament verleihen.
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