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Aus: Ausgabe vom 25.06.2025, Seite 15 / Antifaschismus
Antifaschistischer Widerstand

Erinnern nach vorn

Österreich: Eingedenken zum zehnten Todestag der Kommunistin Irma Schwager
Von Barbara Eder, Wien
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Kommunistin, Frauenrechtlerin und Widerstandskämpferin Irma Schwager (undatierte Aufnahme)

Was hätte Irma dazu gesagt? Diese Frage durchzog den gesamten Gedenknachmittag in Wien-Leopoldstadt am vergangenen Sonntag. Erstmals gestellt hat sie Ilse Knapp, Kommunistin und Weggefährtin von Irma Schwager, Résistance-Kämpferin und langjährige Vorsitzende des Bundes demokratischer Frauen Österreichs (BDFÖ). Gerade sie, so Knapp, hätte es wohl nicht gutgeheißen, dass ein Park an der Oberen Augartenstraße heute ihren Namen trägt: »Sie hat den Personenkult gehasst und ihn für sich nicht in Anspruch genommen. Und wir haben sie auch nicht auf unser Podest gestellt. Wir haben kein Podest. Wir haben sie im Herzen.«

Die Gedenktafel für die KPÖ-Politikerin ist schlicht gehalten. Die Parkbenennung erfolgte 2021 auf Beschluss des Wiener Kulturausschusses. Die 1920 als Irma Wieselberg auf der »Mazzesinsel« geborene Kommunistin setzte sich aktiv für Frauenrechte ein. Bei den im ersten Nachkriegsjahrzehnt abgehaltenen Demonstrationen der KPÖ protestierte sie mit ihren Mitstreiterinnen gegen Teuerung, Wohnungsnot und soziale Missstände. Als Mitglied der 1945 in Paris gegründeten Internationalen Demokratischen Frauenföderation (IDFF) setzte Schwager diesen Kampf auf internationaler Ebene fort.

Einfach sei das in Wien nicht gewesen, erinnert sich Ilse Knapp. Irma Schwager, die im Wissen um die Spaltungstendenzen innerhalb der Linken auch nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts 1968 in Prag KPÖ-Mitglied blieb, wurde mitunter als »Stalinistin« diffamiert – dabei war sie es, die Gräben zwischen autonomen Feministinnen und anderen Frauenorganisationen überbrücken konnte. Als BDFÖ-Vorsitzende kämpfte sie jahrzehntelang für Gleichberechtigung, aktive Friedenspolitik und im Kampf gegen den Faschismus – in der Gewissheit, dass Erinnerung auch Auftrag bleibt.

Schwager zählt zu jenen Kommunistinnen aus Wien, die nach Kriegsende zurückgekehrt sind – gemeinsam mit dem Spanien-Kämpfer Zalel Schwager und der im Krieg geborenen Tochter Monika, genannt »Nicky«. Nach dem »Anschluss« Österreichs an Nazideutschland musste sie als 18jährige Jüdin fliehen. Das »Permit« – ein offizielles Einreise- und Arbeitsbewilligungsdokument – für eine Stelle als Putzfrau in London hatte sie schon in der Tasche.

Irma verließ den Zug in Belgien und schloss sich einer Emigrantengruppe um Paul Herrnstadt an. Um zu überleben, musste sie in Brüssel die Stiefel eines südamerikanischen Attachés auf Knien putzen und rannte vor zudringlichen Hausherren davon. Nach dem Wehrmachtsüberfall auf die Benelux-Staaten im Mai 1940 kam sie nach Frankreich zur Résistance. Im Rahmen der »Travail Anti-Allemand« (TA) bekämpfte sie die Hitlerfaschisten in kleinen Zellen zu je acht Frauen. Dazu gehörte es, freundlich zu sein, mitunter zu flirten, um Wehrmachtssoldaten zum Desertieren zu bewegen. Während Irma im Untergrund agierte, wurden ihre Eltern und zwei ihrer Brüder Opfer der Schoah.

Begründet hat Irma Schwager ihre Rückkehr nach Österreich mit einem einzigen Satz: »Wir sind zurückgekommen, weil wir gewonnen haben« – ein »Sieg«, der in seiner Bitterkeit kaum zu überbieten ist: Die seit März 1933 illegalisierte KPÖ hatte den höchsten Blutzoll aller politischen Parteien Österreichs zu tragen, Tausende ihrer Mitglieder fielen im Kampf gegen Austro- und deutschen Faschismus.

1938 lebten rund 200.000 Jüdinnen und Juden in Österreich. 60.000 wurden ermordet, 20.000 flüchteten nach Frankreich, allein aus dem Grund, weil sie Juden waren. Irmas Sohn Ernst zufolge sprach man in der Familie selten darüber – man wollte sich nicht mit Traumata beschäftigen, statt dessen ein »anderes Österreich aufbauen«. Irma Schwager berichtete lakonisch von einem KPÖ-Flugblatt am Tag des »Anschlusses« gegen den Nazifaschismus. Davon, dass ihre Mutter Lea Wieselberg im Februar 1941 in der »Euthanasieanstalt« Schloss Hartheim getötet wurde, erfuhr Ernst Schwager erst später.

Dass man hierzulande von der »ordentlichen Beschäftigungspolitik im Dritten Reich« sprechen konnte, ist mehr als drei Jahrzehnte her, blieb aber ungestraft. In Wien ruft man seine Tescheks weiterhin mit G’schamster-Diener-Schmäh herbei und poliert sich das Gewissen. Irma Schwager ist zu unbequem für das offiziell gepflegte Gedenken. Ob »wir« gewonnen haben, bleibt fraglich – Irma hat es an diesem Nachmittag auf ihre Weise getan.

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