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Aus: Ausgabe vom 25.06.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Repression und Widerstand in Panama

»Effektiver« Ausnahmezustand

Panama: Proteste gegen Privatisierung der Sozialversicherung niedergeschlagen. Grundrechte beschränkt
Von Volker Hermsdorf
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Oh, wie schön ist Panama: Molotowcocktails in die eine, Schrotgeschosse in die andere Richtung (Arimae, 5.6.2025)

Im Westen Panamas spitzt sich die Lage dramatisch zu. Präsident José Raúl Mulino lässt Proteste gegen die Privatisierung der Sozialversicherung und sein Nachgeben gegenüber Forderungen der USA immer brutaler niederschlagen. In der Provinz Bocas del Toro verhängte seine Regierung den Ausnahmezustand und legte am Wochenende die Telekommunikation weitgehend lahm. Internet- und Mobilfunkdienste wurden unterbrochen, verfassungsmäßige Rechte wie Versammlungs- und Meinungsfreiheit, Demonstrationsrecht und Schutz vor willkürlicher Festnahme wurden per Dekret für mindestens fünf Tage außer Kraft gesetzt.

Örtliche Medien hatten bereits in der Nacht zum Sonnabend über den großflächigen Internetausfall in der touristisch geprägten und wirtschaftlich stark vom Bananenanbau abhängigen Provinz berichtet. Mulinos Dekret erlaubte der Regierung die Kontrolle über elektronische Geräte und die Zensur in sozialen Medien. Polizeichef Jorge Domínguez kündigte außerdem an, dass man nun »effektiver« vorgehen könne – ohne Rücksicht auf gerichtliche Genehmigungen. Bis dahin waren bei Polizeieinsätzen bereits ein Aktivist getötet und Dutzende verletzt worden. Mehr als 300 Personen, darunter auch Minderjährige, wurden festgenommen. Offiziell rechtfertigte die Regierung ihre verschärften Repressalien im Rahmen der »Operation Omega« mit »Maßnahmen« gegen »Akte des Vandalismus« und zur Rückeroberung des von einer Menschenmenge gestürmten Flughafens der Stadt Changuinola. Tatsächlich seien sie jedoch eine Reaktion auf die anhaltenden Proteste gegen den von Mulino geplanten neoliberalen Umbau des Sozialsystems, der die ohnehin unterbezahlten Beschäftigten in der Bananenregion besonders hart treffen würde, kommentierte das Nachrichtenportal Telesur.

Laut Regierung soll die umstrittene Reform die Zahlungsfähigkeit der Sozialkasse sichern – in der Realität bedeute sie jedoch Leistungsabbau, Rentenkürzungen und neue Belastungen für Beschäftigte, argumentieren Kritiker. Schon seit April protestieren deshalb landesweit Lehrer, Bauarbeiter, indigene Gemeinschaften und soziale Bewegungen. In Bocas del Toro, wo der Widerstand besonders entschlossen geführt wird, hatten sich in den vergangenen Wochen auch Tausende Bananenarbeiter dem Widerstand angeschlossen. Die Situation spitzte sich zu, als das US-Unternehmen Chiquita Brands nach einem Streik im Mai mehr als 5.000 Beschäftigte entließ. Dutzende Gewerkschafter wurden seitdem verfolgt, verhaftet und eingesperrt. Menschenrechtsorganisationen werfen der Regierung vor, nicht auf Dialog, sondern auf Repression zu setzen und eine weitere Eskalation der sozialen Konflikte zu provozieren. Doch Mulino bleibt trotz aller Warnungen auf Konfrontationskurs.

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