Union drängt auf Wehrpflicht
Von Marc Bebenroth
Für die Beteiligten ist klar: Es muss nicht nur aufgerüstet, sondern auch rekrutiert werden. Union und SPD zanken sich dabei um logistische Details. Der über die Medien ausgetragene Koalitionsstreit verläuft entlang der Frage, was zählt: möglichst schnell möglichst viele Menschen einziehen oder die Bundeswehr zuerst mit Freiwilligen auffüllen, um den Militärapparat auszubauen?
Letzteres ist seit Monaten die Position der Sozialdemokraten. »Es wird keine Rückkehr zur alten Wehrpflicht geben, bei der alle jungen Männer eines Jahrgangs eingezogen werden«, hatte Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) zunächst gegenüber den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft vom Freitag betont. Die Bundeswehr müsse »deutlich attraktiver für junge Menschen werden«, also Nachwuchs anlocken.
Später könnte die SPD Klingbeil zufolge einer Wehrpflicht zustimmen. Er zeigte sich gegenüber den Blättern einverstanden damit, »jetzt schon die Voraussetzungen dafür« zu schaffen, »dass auch verpflichtend eingezogen werden könnte« – falls die Zahl der Freiwilligen als zu niedrig bewertet wird. Dem SPD-Vorsitzenden pflichtete der Vorsitzende der Parteijugend bei. Juso-Chef Philipp Türmer verwies im ARD-»Morgenmagazin« darauf, dass die direkte Rückkehr zur Wehrpflicht die Bundeswehr dramatisch überfordern würde. Der Staat müsse »die Arbeitsbedingungen« bei der Truppe verbessern. »Da kann man auch über Anreize nachdenken«, sagte Türmer. Zuerst müsse man die Abbrecherquote bei den Rekruten verringern.
Laut der Kanzlerpartei müsse dagegen schnellstmöglich der sogenannte Aufwuchs der Bundeswehr erfolgen. »Wir haben nicht die Zeit, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag zu warten«, drängelte Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) am Freitag gegenüber dpa. Er halte es für schwer vorstellbar, dass die von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) angestrebte Zielmarke von perspektivisch 230.000 bis 240.000 Soldaten über einen freiwilligen Wehrdienst erreicht werden könne. Grund für den suggerierten Zeitdruck: »Meine persönliche Einschätzung ist, dass wir dafür eigentlich so gut wie gar keine Zeit haben, denn die Bedrohungslage ist enorm«, verwies Frei verklausuliert auf das Feindbild Russland.
Das Umfrageunternehmen Yougov lieferte am Freitag im Auftrag der dpa weiteres Zahlenmaterial für das Unionslager: Eine knappe Mehrheit von 54 Prozent der Befragten plädierte dafür, dass der Dienst bei der Bundeswehr wieder zur Pflicht wird. 36 Prozent befürworten demnach eine Wehrpflicht für Männer und Frauen – was eine Grundgesetzänderung erfordern würde. Und auch diese Erhebung ergab, dass die potentiell betroffenen jungen Menschen mehrheitlich gegen das Vorhaben sind. 66 Prozent der über 70jährigen stimmten für die Wehrpflicht, von den 18- bis 29jährigen nur knapp ein Drittel.
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