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Aus: Ausgabe vom 18.06.2025, Seite 5 / Inland
Grundwasser unter Stress

Deutschland trocknet aus

Studie: Jeder zweite Landkreis von Grundwasserknappheit bedroht
Von Max Grigutsch
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So sehen die Böden nach einem der trockensten Frühjahre seit Beginn der Aufzeichnungen aus (Düsseldorf, 21.5.2025)

Das Wasser wird knapp. Nicht nur in den fernen Regionen, die hiesige Unternehmer ohnehin nur als Hort auszubeutenden Menschen- und Rohmaterials begreifen, sondern auch in Deutschland. Mehr als zwei Drittel ihres Trinkwassers bezieht die BRD aus dem Grundwasser. Und dieses steht zunehmend unter Druck, wie eine am Dienstag vorgestellte Studie des Umweltschutzverbands BUND nahelegt. Demnach wird in jedem zweiten Landkreis mehr Grundwasser entnommen, als sich durch Niederschläge rückbilden kann. Das Resultat: Deutschland trocknet aus. »Wir machen gerade ein Minusgeschäft mit dem Wasser, auf Kosten künftiger Generationen«, sagte Verena Graichen, BUND-Geschäftsführerin im Bereich Politik, am Dienstag vor Journalisten.

Das Institut für sozial-ökologische Forschung aus Frankfurt am Main, das die Überblicksstudie im Auftrag des BUND durchgeführt hat, nennt das Problem »Grundwasserstress«. Gemeint ist eine Übernutzung des Grundwasserbestands über das Maß der Grundwasserneubildung. In der Folge trocknen Böden aus, Flüsse werden wasserärmer, und die Artenvielfalt nimmt ab, da Feuchtgebiete als Lebensräume für Tiere und Vegetation wegfallen. Ernten in der Landwirtschaft fallen geringer aus oder ganz weg, die Trinkwasserversorgung wird bedroht. Die Autoren der Arbeit fanden heraus: Von strukturellem, das heißt langfristigem Grundwasserstress betroffen sind insbesondere Landkreise in Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz. Viele dieser Regionen und einige zusätzliche sind auch akutem Grundwasserstress ausgesetzt.

Neben der Trinkwasserversorgung zählen die »Auswirkungen der Klimakrise, der Verbrauch durch die industrielle Landwirtschaft und andere Industrien« zu den »Hauptursachen der Grundwasserknappheit«, erklärte Graichen am Dienstag in einer Mitteilung. So führt der dem kapitalistischen Wirtschaften geschuldete und von der Berufspolitik missachtete Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen, kurz Klimawandel, nachweislich zu häufigeren und weitflächigeren Dürreperioden. Am Dienstag veröffentlichte OECD-Zahlen haben ergeben, dass sich die weltweiten Dürreflächen innerhalb der vergangenen 120 Jahre etwa verdoppelt haben. So herrscht Trockenheit auch in Deutschland: Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes war das diesjährige Frühjahr eines der trockensten seit Beginn der Aufzeichnungen. Das schadet auch dem Grundwasserbestand.

Darüber hinaus wird das Grundwasser direkt von privatwirtschaftlichen Akteuren übernutzt. Das geht in der BRD zu über 90 Prozent von drei Sektoren aus, so die BUND-Studie. Der Bergbau allein ist für rund 45 Prozent der Grundwasserentnahme verantwortlich, etwa um die Gruben und Schächte trocken zu halten. Regional zeigt sich eine entsprechende Überbelastung in den ost- und westdeutschen Tagebaugebieten. Hinzu kommt der Verbrauch des »verarbeitenden Gewerbes«, vor allem in der Chemieindustrie, und die Bewässerung in der Land- und Forstwirtschaft.

»Potentielle Grundwasserkonflikte« müssten antizipiert werden, mahnte Studienautor Robert Lütkemeier am Dienstag schlussfolgernd an. Nicht thematisiert wurde die Frage, wer wohl am längeren Hebel sitzt, wenn sich ein solcher Konflikt zwischen Kapitalisten, die das Wasser industriell nutzen wollen, und all jenen anbahnt, denen es an Wasser zum Trinken mangelt. Aus einer am Dienstag veröffentlichten und ebenfalls vom BUND beauftragten Civey-Befragung geht jedenfalls hervor, dass mehr als die Hälfte der Deutschen über kaum bis keinerlei Problembewusstsein in Sachen Wasserknappheit verfügt. Immerhin: Knapp 65 Prozent der Befragten stimmten trotzdem zu, dass Firmen, die große Mengen Wasser verbrauchen, mehr in die Pflicht genommen werden sollten.

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