Schuss in den Arm

JD McPherson war drauf und dran, alles hinzuschmeißen, als der Anruf kam. Robert Plant und Alison Krauss wollten mit ihrem zweiten Kollaborationsalbum »Raise the Roof« (2021) auf Tour gehen und suchten noch einen zweiten Gitarristen. Marc Ribot hatten sie schon. Dass sie McPherson fragten, zeigt, wie sehr sie sein stets auf den Punkt genaues Gitarrenspiel schätzen. Für ihn war die Gelegenheit ein »shot in the arm«, ein enormer Anschub, kreativ und fürs Selbstbewusstsein. Im Vorprogramm testete er mit eigener Band neue Songs, bevor er mit Plant und Krauss das Hauptset bestritt.

»Sunshine Getaway«, eines dieser neuen Stücke, eröffnet sowohl McPhersons Album »Nite Owls« als auch sein Konzert im Kölner Luxor am 4. Juni. Ein knackiger Einstieg. Am Ende jeder Strophe folgt auf das langgezogene »Sunshi-ne« das fast gestoßene »Getaway«, nahtlos folgt ein synkopisches Riff à la Marc Bolan (also Chuck Berry). Das geht in die Beine und passt gut zum im Text beschriebenen Aufbruch aus der sehr US-amerikanischen Provinz des Mittleren Westens. Ich stecke hier fest, jeden Tag das Gleiche, warum fliehe ich nicht in die Sonne, weg von hier? Getaway.

Einen Tag später spielt JP Harris im Essen-Werdener Jugend- und Bürgerzentrum. Der Countrymusiker mit der tiefen Stimme und den tiefen Texten hat ein bewegtes Hoboleben hinter sich. Es ist ein gutes Country-Rock-Konzert, nur Harris’ Stimme kommt nicht so markant rüber wie auf dem Album. »Keine Mikrofondisziplin …«, raunen die Soundleute in der Pause.

Zurück nach Köln. Auf dem neuen Album holt McPherson den Rock ’n’ Roll ins Heute, aber sein Konzert ist sehr klassisch. Sehr Duane Eddy, Del Shannon, Bo Diddley. Immer wieder Anklänge an die Unsterblichen. Schließt man die Augen, klingt es wie T-Bone Burnetts Edelband für Robert Plant (so gut). Der Sound ist fantastisch, McPherson shoutet, spielt, tanzt unentwegt, trotz Erkältung. Der Club kocht. Wow.

Avant-Country und moderner Rock ’n’ Roll: »Don’t let anyone say it’s wrong« (Wilco, 2007).