Der Operettentyrann
Von Knut Mellenthin
Am Mittwoch behaupteten deutsche und internationale Medien, Donald Trump erwartete einen großen Erfolg in den Verhandlungen mit Iran in den nächsten Tagen und habe sich in einem Telefongespräch mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu energisch verbeten, dabei durch Israel gestört zu werden. »Trump will Netanjahu vor Militärschlag gegen Iran gewarnt haben«, hieß es zum Beispiel im Spiegel. Aber schaut man hin, was der US-Präsident wirklich gesagt hat – und da ist man nicht auf Gerüchte angewiesen – , stellt sich heraus, dass Trump in Wirklichkeit die Islamische Republik zu sehr schnellen Zugeständnissen nötigen will, indem er immer wieder Erzählungen über kurz bevorstehende israelische Angriffe aufgreift, die aus anonymen oder US-geheimdienstlichen Quellen kommen.
Der Hintergrund: Zunächst hatte die New York Times am Mittwoch erzählt, Netanjahu habe Trump in mindestens einem »angespannten« Telefongespräch damit gedroht, die Verhandlungen durch Militärschläge gegen die iranischen Atomanlagen durcheinanderzubringen. Der Premierminister argumentierte wohl damit, dass Irans derzeitige »Verwundbarkeit« nicht lange anhalten werde und jetzt genau der richtige Zeitpunkt für Angriffe sei. Das kann man gerüchteweise oft lesen, aber in der Regel wird nicht erklärt, worauf sich diese angebliche Einschätzung stützt.
Das Büro des israelischen Regierungschefs dementierte die Darstellung der New York Times umgehend als »Fake News«. Etwas später am Tag gab es eine Pressekonferenz im Weißen Haus, auf der sich Trump unter vielem anderen auch zu diesem Thema äußerte. Das lieferte den Stoff für die Schlagzeilen der internationalen Medien von der »Warnung«. Bisher hat das Weiße Haus noch kein Transkript der Presskonferenz veröffentlicht. Interessierte müsse sich deshalb an den Bruchstücken in den internationalen Medien orientieren. Im Folgenden ein Auszug aus der Jerusalem Post, der die meisten Zitate wiedergibt und den Veröffentlichungen anderer Medien nicht widerspricht: »Auf die Frage, ob er (Donald Trump, jW) Netanjahu gesagt habe, er solle Iran nicht angreifen, antwortete Trump: ›Nun, ich bin gern ehrlich. Ja, ich habe Netanjahu gesagt, es wäre sehr unpassend, das gerade jetzt zu tun, weil wir einer Lösung sehr nahe sind.‹ Er setzte hinzu: ›Das kann sich in jedem Moment ändern. Es kann sich mit einem Telefonanruf ändern. Aber gerade jetzt denke ich, Iran will einen Deal machen, und wenn wir einen Deal machen können, würde es eine Menge Leben retten.‹«
Trump sagte demnach weiter: »›Wir haben sehr gute Diskussionen mit Iran, und ich sagte zu Netanjahu: Ich glaube nicht, dass das gerade jetzt passend wäre. Denn wenn wir das Problem mit einem sehr starken Dokument beilegen können, mit Inspektionen und nicht nur auf Vertrauen gestützt … Ich möchte, dass der Deal sehr stark ist, so dass wir mit Inspektoren reingehen können, mitnehmen können, was wir wollen, dass wir sprengen können, was wir wollen, aber niemand getötet wird. Wir können ein Labor sprengen, ohne dass jemand drin ist.‹« Zum Schluss habe der US-Präsident wiederholt, dass es zwei mögliche Ausgänge der laufenden Verhandlungen gebe – »eine, die ›gewaltsam‹ ist, die die USA lieber vermeiden möchte, und die zweite, ein Deal«.
Der wichtigste Punkt: Die optimistische Einschätzung Trumps (und, kann man hinzusetzen, seine gute Laune) kann sich von einem Moment auf den anderen komplett ändern, falls er seinen Willen nicht ganz schnell bekommt. Dann muss Iran mit dem Schlimmsten rechnen. Dieses Verhalten liegt irgendwo zwischen dem eines verwöhnten Kindes, eines sich »freundlich« gebenden Mafiabosses und eines Tyrannen. Die staatlichen Medien Irans, die meist sehr schnell mit Abmahnungen und Strafzensuren sind, haben bisher nicht auf diesen Schlag ins Gesicht reagiert. Auch das Außenministerium hat sich noch nicht geäußert. Wäre die iranische Seite weniger geduldig und leidensbereit, hätte es kaum fünf Gesprächsrunden gegeben.
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