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Aus: Ausgabe vom 28.05.2025, Seite 8 / Ansichten

Auftrag gefährdet

Kritik an Israels Kriegführung
Von Arnold Schölzel
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Bundesaußenminister Johann Wadephul am 26. Mai in Berlin

Die uneingeschränkte Unterstützung der wichtigsten westlichen Staaten mit Israels Kriegführung in Gaza wrd geringer. Gleichzeitig und inhaltlich ähnlich regt sich in Politik und Medien selbst der unnachgiebigsten Unterstützer des Genozids, der USA und Deutschlands, zarte Kritik. Selbst Friedrich Merz und Johann Wadephul äußern Unbehagen, zwar ohne die Vokabel Völkermord zu verwenden, aber auch ohne den sonst obligatorischen Verweis auf den Angriff vom 7. Oktober 2023. Am Dienstag sprach der CDU- Außenminister sogar von »Zwangssolidarität«, also Erpressung. Das galt neulich noch als Beleg für Antisemitismus, dessen inhaltsleerste, weil auf alles passende Definition vom Bundestag zur deutschen Staatsideologie erhoben wurde.

Verstößt Wadephul gegen den herrschenden Aberglauben? Er will weiterhin Waffen fürs Abschlachten vornehmlich von Frauen und Kindern liefern, meint’s nicht ernst. Außerdem gilt: Humanismus haben bundesdeutsche Außenminister nie gelernt und dessen Grundsätze nicht zu befolgen. Beim dritten Anlauf zum Platz an der Sonne interessieren nicht Menschenleben, sondern Waffengeschäfte mit kriegführenden Staaten. Als 2019 der Verkauf von 200 »Leopard«-Panzern an Saudi-Arabien ruchbar wurde, argumentierte die Bundesregierung, die Monarchie sei ein »Stabilitätsanker« in der Region.

Das war und ist aber auch der imperialistische Auftrag an Israel: Dort für »Ordnung und Stabilität« sorgen – eine Gemeinsamkeit mit Staaten wie Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder eben Saudi-Arabien. Netanjahu hat es jedoch in den gut 125 Tagen der zweiten Amtszeit Donald Trumps geschafft, diesen Auftrag zu gefährden. Nach dem 20. Januar hatte er freie Hand in Gaza oder glaubte, sie zu haben, und nutzte das, um monatelangen Hunger zu verordnen und die Zahl der palästinensischen Toten auf mehr als 50.000 zu erhöhen. Nun trifft er Vorbereitungen, die Einwohner in die Nachbarländer zu vertreiben. Netanjahu und die Faschisten um ihn herum sind nicht nur maßlos mörderisch, sie nehmen Kurs auf die Destabilisierung der Region.

Das tangiert die Interessen der USA und ihrer Verbündeten: Wo sie nicht dominieren, werden sie durch China oder Russland ersetzt. So haben sich die Verhältnisse in der Welt geändert. Also führte Trumps erste große Auslandsreise der neuen Präsidentschaft in den Nahen und Mittleren Osten – ohne Station in Israel. Das war in seiner ersten Amtszeit nicht passiert. Die Westeuropäer griffen das gern auf: London bestellte den israelischen Botschafter ein und überprüft ein Handelsabkommen, Kanada und Frankreich drohen mit Sanktionen, und sie alle haben Massendemonstrationen zur Solidarität mit Palästina auf den Straßen. Da machen sogar Merz und Wadephul, die auf so etwas keine Rücksicht nehmen müssen, beim Schwenk mit und verlangen Auftragserfüllung. Da Netanjahu nicht will, passiert bislang nichts. Das Massakrieren geht weiter.

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