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Aus: Ausgabe vom 28.05.2025, Seite 8 / Ansichten

Eltern des Tages: Konstanzer Zoophagen

Von Felix Bartels
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Besorgte Eltern wissen: Es gibt ein Recht auf Schnitzel

Willkommen in Muttis Fleischbude. Unsere Spezialität ist Fleisch. Die zwei Sätze aus »Ein Königreich für ein Lama« habe ich behalten. Nicht viel, aber gehaltvoll. Wie so eine Ernährung sein muss, insonders, wenn der Junior nur noch die Massephase im Kopf hat und sich vom stagnierenden BMI in Depressionen stürzen lässt. Neulich stellte er die Vermutung an, als Kind in einen Kessel mit Ozempic gefallen zu sein. Mit dem Fachwissen ist es auch nicht weit her. Fleisch, weiß er, ist gut. So fragt er bei Lasagne aus Brokkoli, Bechamel und reichlich Käse, ob er nicht doch etwas Hähnchenfilet haben könne. Ernährung, ganz offensichtlich, ist Kulturkampf. Man kann ihn auf dem Insta-Account von Markus Söder bestaunen. »Fleisch darf man bald nur noch heimlich essen«, hatten schon vor elf Jahren die Berufsparanoiker Miersch und Maxeiner in einer ihrer letzten gemeinsamen Kolumnen gewarnt.

Wo kommt sie her, diese Panik, wenn irgendwo mal kein Fleisch auf dem Teller liegt? Woher der Glaube, dass Kalorien sich ausschließlich in tierischen Fetten verstecken? Beim Verwaltungsgericht Freiburg wurde unlängst ein Antrag besorgter Eltern aus Konstanz eingereicht. Sie wollten durchsetzen, dass ihr Kind täglich ein Mittagessen mit Fleisch oder Fisch erhält. Die zuständige Großküche bietet an vier von fünf Tagen vegetarische Kost an, an einem ein fisch- oder fleischhaltiges Gericht. Das Gericht, das über das Gericht zu Gericht saß, wies das Begehren ab.

Tatsächlich hatten die Eltern einen Eilantrag eingereicht. Und die Eilbedürftigkeit damit begründet, ihrer Tochter drohe Mangelernährung. Schwerer als die Urteilsfindung dürfte gewesen sein, bei der Verkündung ein ernstes Gesicht zu wahren. Und was die Eltern betrifft: Man kann dem Kind auch Essen mitgeben, das ist zwar anstrengender, doch weniger teuer.

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