Regieren als Stilfrage
Von Kristian Stemmler
Die Ampelkoalition scheiterte bekanntlich nicht an ihrem Programm, das die Weichen etwa für eine umfassende Militarisierung des Landes stellte – sondern vor allem daran, dass die Gegensätze zwischen SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen öffentlich ausgetragen wurden. Diese Lektion scheint bei den Herrschenden angekommen zu sein. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier machte am Wochenende deutlich, dass er von der seit drei Wochen regierenden »schwarz-roten« Koalition eine andere »Verkaufe« erwartet. Die neue Bundesregierung müsse ein besseres Erscheinungsbild bieten, als es die Ampel geliefert habe, erklärte Steinmeier am Sonntag gegenüber MDR aktuell.
Der Stil untereinander müsse ein anderer sein, führte das Staatsoberhaupt weiter aus und mahnte, »nicht jeden Streit öffentlich zu inszenieren«. Der Fokus müsse auf der Lösung von Problemen und dem Finden von Kompromissen liegen. Die Bürger erwarteten »Antworten«, etwa beim Thema Energiepreise. Es brauche Anstöße, die zur Verbesserung von Lebens- und Wirtschaftsbedingungen führten. Wenig überraschend zeigte Steinmeier sich optimistisch, dass gesunkenes Vertrauen in demokratische Institutionen zurückgewonnen werden könne.
Mit Blick auf die jüngsten Wahlergebnisse wandte sich der Bundespräsident dagegen, die AfD und Ostdeutschland gleichzusetzen. Es sei ja »kein spezifisch ostdeutsches Phänomen, dass sich Menschen, auch aus Protest, anderen Parteien anschließen«.
Bei SPD und Union dürfte Steinmeier mit seinem Appell auf offene Ohren stoßen. So behauptete der SPD-Kovorsitzende, Vizekanzler und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil gegenüber der Rheinischen Post (Sonnabend), mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) nach dem harten Wahlkampf ein Vertrauensverhältnis aufgebaut zu haben. »Wir wissen beide, dass wir den Weg nur gemeinsam gehen können«, sagte Klingbeil. Das Verhältnis zu Merz sei »gut und belastbar«, man tausche sich »sehr eng aus«: »Wir telefonieren vor und nach internationalen Terminen, wir simsen regelmäßig und werden auch den Koalitionsausschuss gemeinsam vorbereiten.«
Auch Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) beherzigt offenbar die Lehre aus dem Schicksal der Ampel. Entscheidend sei gegenseitiges Vertrauen, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland mit Blick auf die Zusammenarbeit mit seinem Gegenpart, SPD-Fraktionschef Matthias Miersch. »Wir werden sicher beide hart für die Positionen unserer Fraktionen einstehen«, erklärte Spahn. Aber man müsse wissen, »was man sich gegenseitig zumuten kann«. Er warnte zudem vor einem »Stimmungstief« in der Bevölkerung wie zu Zeiten der Merkel-Regierung. »Die letzte Groko war vor der Coronapandemie voll unten durch bei den Leuten, stehend k. o., da dürfen wir nicht wieder landen.«
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Groß Neuendorf (26. Mai 2025 um 07:57 Uhr)Ist es nicht ganz grundsätzlich so, dass, wenn ständig das Wort Vertrauen bemüht werden muss, das Misstrauen eher die Regel denn die Ausnahme ist? Denn eigentlich braucht man ja, wo kein Problem ist, auch nicht zu seiner Lösung aufzurufen. Die öffentlich geäußerten Parolen sagen unendlich viel über die Wirklichkeit aus. Jedenfalls deutlich mehr, als diejenigen zugeben wollen, die sie lauthals vortragen.
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