Aus Leserbriefen an die Redaktion

Big Brother misst mit
Zu jW vom 22.5.: »BSI: Schutzmaßnahmen für Energieanlagen nötig«
Wenn der letzte Quadratzentimeter Fotozelle, die letzte Wärmepumpe und die allerletzte Smart-Home-Jalousie netzdienlich sein müssen (wegen der 50-Hertz-Stabilität), dann braucht man sich nicht wundern, wenn die dazu nötigen Fernsteuermöglichkeiten Hintertürchen aufweisen und nicht nur die offiziell Befugten die offiziellen Schnittstellen zur Netzsteuerung nutzen. Soweit die 50-Hertz-Sicht. Die Fernsteuermöglichkeiten machen aber auch das Türchen zur Fernüberwachung auf. Meine moderne Messeinrichtung hat keine Fernsteuermöglichkeit, lokal kann ich sie bereits veranlassen, alle Daten (Strom, Spannung, Phasenverschiebung) etwa im Sekundentakt auszuspucken. Wer garantiert mir, dass bei Vorhandensein der Fernsteuerung diese Daten nicht abgegriffen werden? Das BSI? Big Brother sucht immer.
Heinrich Hopfmüller, Stadum
Deutsche Schande
Zu jW vom 15.5.: »Dran, dran, dieweil das Feuer heiß ist!«
Der letzte Passus des Zitates von Walter Benjamin scheint mir hochaktuell zu sein, wenn man sich das Trauerspiel um die Ausladung russischer Regierungsmitglieder zu allen Gedenkfeiern am 8. und 9. Mai vor Augen hält: »Auch die Toten werden vor dem Feind, wenn er siegt, nicht sicher sein. Und dieser Feind hat zu siegen nicht aufgehört.« Tote Sowjetsoldaten gelten dem westlichen Teil der Sieger nichts mehr, eine Schande! Besonders eine deutsche Schande.
Emmo Frey, Dachau
Neutrales Österreich
Zu jW vom 12.5.: »Wien feiert Befreiung«
Hallo jW-Team, hallo Dieter Reinisch. Ich möchte als Auslandsdeutscher, der seit über 21 Jahren in Österreich lebt und dieses Land liebt, eine Lanze für Österreich brechen. Bei der Gedenkveranstaltung im ehemaligen KZ Mauthausen war sehr wohl eine, sogar größere Abordnung aus Russland in der langen Reihe der Kranzniederlegenden. Und das sowohl mit der russischen als auch mit der roten sowjetischen Flagge mit Hammer und Sichel. Ebenfalls in dieser Abordnung war die weißrussische Flagge vertreten. (Kasachstan hatte eine eigene Abordnung, die Ukraine sowieso.) Da die Veranstaltung von ORF 2 vollumfänglich übertragen wurde, konnte man das da auch eindeutig anschauen. Ein Moderator ist auch auf die sowjetischen Befreier und Opfer und den großen russischen Anteil an diesen während des Zweiten Weltkrieges eingegangen. Es ist nicht in Ordnung, Österreich in diesem Gedenken in irgendeiner Weise mit Deutschland gleichzusetzen oder zu vergleichen! Natürlich muss auch Österreich sich teilweise dem westeuropäischen Druck beugen (leider). Aber so schändlich wie Deutschland mit dem Gedenken an die sowjetischen/russischen Befreier umgeht, das wird Österreich sich ganz sicher nicht geben. Denn Gott sei Dank ist doch noch einiges von der österreichischen Neutralität übrig und wird auch im Land sehr hochgehalten.
Sven Glöckner, Österreich
Inschrift
Zu jW vom 8.5.: »Ein Fest mit Tränen in den Augen«
In einem meiner Bücher steht der Wortlaut einer Inschrift, die sich im Saal der Roten Armee in der Nationalen Gedenkstätte auf dem Vítkov-Berg in Prag befinden soll. Ob es diese Inschrift und die Gedenkstätte überhaupt noch gibt, weiß ich nicht. Mir bereitet sie aber immer wieder Gänsehaut: »Sei wachsam, Freund, auf der Erde, in die ich versenkt! Das Recht, dies zu fordern, hab’ ich mit dem Tode erworben. Ich fiel in der Schlacht an dem Tag, da ein Sohn mir geschenkt. Dass er lebt, dass du lebst – dafür bin, mein Freund, ich gestorben.
Muriel Kröger, Greiz
Frustrationstoleranz am Limit
Zu jW vom 19./20.4.: »›Menschen fragen sich, warum Geld für Rüstung da ist‹«
Dominik Mikhalkevich spricht mir aus der Seele, und natürlich beteiligte ich mich an möglichst vielen Ostermärschen, mit Unterbrechungen seit 1982. 1999 war ich der PDS als einer Friedenspartei beigetreten und bin, wie es ausgangs heißt, »enttäuscht vom Agieren der eigenen Partei«, so dass ich nun aus ihr austrat. Dies erwog ich schon, als ein früherer Vorstand von der Teilnahme an einer bedeutenden Friedensdemo in Berlin abriet, zu der ich selbstredend trotzdem ging; als die damalige Genossin Wagenknecht übelst gemobbt wurde, weil sie für Frieden war – selbst ein Parteiausschlussverfahren war beantragt, und keins gegen Bodo Ramelow! Dessen Positionen zur Wehrpflicht, zu Waffenlieferungen aber auch zur Bahnzerschlagung nach Vorstellung der damals noch drei Jamaika-Parteien (heute »Schwarz-Grün«) waren zwar so wenig konform mit Parteibeschlüssen wie nunmehr Bremens und Schwerins seltsame Extratouren, doch dazu heißt es im Gespräch ja auch, der Bundesvorstand habe letztere »nicht im Griff«. – Und die Nichtnutzung des Bundesrats zur Kriegskreditablehnung brachte dann meine Frustrationstoleranz an ihre Grenze oder »rote Linie«. Kann ich auch wenig anfangen mit den fehlenden BSW-Positionen zur Ökologie und den seltsamen zur Seuchenprophylaxe und zur Migration, auch mit vorschnellem Einknicken auf Länderebene bei Konversion in die verkehrte Richtung. Für den Frieden würde ein starkes BSW weiter sehr nötig sein, solange es noch keine andere authentische und konsequente Friedenskraft gibt! Die DKP könnte nach meinem Eindruck eine solche sein, dürfte aber auf die Schnelle kaum über fünf Prozent erreichen.
Bernhard May, Wuppertal
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