Wien feiert Befreiung
Von Dieter Reinisch, Wien
Anders als in Berlin verlief das Gedenken an die Befreiung Österreichs durch die sowjetische Rote Armee in Wien ohne größere Zwischenfälle. Mehrere tausend Menschen marschierten am frühen Abend des 9. Mai über den Ring bis zum Schwarzenbergplatz. Vor dem Denkmal zu Ehren der bei der Befreiung Wiens am 13. April 1945 gefallenen Rotarmisten fand eine große Kundgebung mit Reden und musikalischen Beiträgen bis in die späten Nachtstunden statt. Zu Störaktionen kam es kaum. Die Wiener Polizei kooperierte eng mit den russischen Veranstaltern, um einen reibungslosen und würdevollen Ablauf zu garantieren.
Organisiert wurden die Feierlichkeiten von den beiden Botschaften der Russischen Föderation in Österreich. Da Wien UN-Sitz ist, verfügen viele größere Länder dort über zwei Vertretungen. Von der Permanenten Mission Russlands bei den Internationalen Organisationen wurde am Donnerstag eine Gedenkveranstaltung in der UN-Niederlassung abgehalten. Die Begrüßungsworte hielt der Ständige Vertreter Russlands bei den Internationalen Organisationen, Michail Uljanow. Es sei ein besonderer Tag, erklärte er danach im jW-Gespräch: »Russland hat 27 Millionen Menschen in diesem Krieg verloren, 18 Millionen davon waren Zivilisten. Dieser Heldenmut ist unvergesslich.« Danach betonte er die persönliche Bedeutung dieses Tages für ihn: »Mein Vater schloss sich als 17jähriger der Roten Armee als Freiwilliger an und wurde an einem der ersten Tage an der Front schwer verletzt.« Ein Onkel nahm an der Befreiung Prags teil und erlag danach in Österreich seinen Verletzungen, erzählte Uljanow.
Am Freitag hatten die Feierlichkeiten um die Mittagszeit mit Kranzniederlegungen mehrerer Botschaften am Denkmal der Roten Armee am Schwarzenbergplatz begonnen. Neben Vertretern Russlands legten auch Delegationen aus China und weiterer asiatischer Staaten Kränze nieder. Nur eine kleine Schar von rund zwei Dutzend Protestierenden mit ukrainischen und tschetschenischen Fahnen fand sich ein. Sie versuchten mit großen Lautsprechern und Technomusik, das Gedenken zu stören, was ihnen nicht gelang. Auf einem meterlangen Banner stand: »Hitler gleich Stalin gleich Putin«.
Die abendlichen Feierlichkeiten am Maria-Theresien-Platz eröffnete als Redner Tibor Zenker, der Vorsitzende der Partei der Arbeit. Er betonte im jW-Gespräch, dass vor 80 Jahren »der historische Faschismus, insbesondere der deutsche und italienische«, besiegt wurde: »Der Faschismus als bürgerliche Erscheinungsform ist nicht besiegt, denn er hängt unmittelbar mit dem Kapitalismus und Imperialismus zusammen«, so Zenker. Er sehe derzeit vor allem die Gefahr, dass der Faschismus wieder als Instrument der Herrschenden eingesetzt werden könnte.
Danach zogen mehrere tausend Personen mit Sankt-Georgs-Bändern, russischen und belarussischen, aber auch vielen roten Fahnen mit Hammer und Sichel durch die Innenstadt über den Ring zum Schwarzenbergplatz. Begrüßt wurden sie dort vom Botschafter der Russischen Föderation, Dmitri Ljubinski: »Wir feiern heute die Befreiung Europas durch die Sowjetunion, aber uns eint der Kampf gegen den Faschismus, den wir heute gemeinsam fortsetzen«, sagte er und betonte: »Wir werden niemals vergessen.« Auch hier gab es kleine Gegenproteste von rund 30 Personen mit ukrainischen Flaggen und Bandera-Symbolen. Neben Personen aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion nahmen auch viele Österreicher am Gedenken teil. Offizielle Vertreter Österreichs waren nicht gekommen.
Beim alljährlichen Gedenken zur Befreiung des KZ Mauthausen war Russland das vierte Jahr in Folge ausgeladen. Mehr als 20.000 Personen kamen zu den Feierlichkeiten am Sonntag, darunter einige Überlebende, aber auch das spanische Königspaar, obwohl Opferverbände es aufgefordert hatten, wegen der historischen Beziehungen zwischen der Franco-Diktatur und der Monarchie von einer Teilnahme abzusehen. Russland hatte einen Tag zuvor eigene Gedenkveranstaltungen organisiert. Zu diesen waren mehrere Nachkommen von sowjetischen KZ-Insassen angereist, so der Enkel von Dmitri Karbyschew, der im Februar 1945 im KZ Mauthausen ermordet wurde.
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Leserbrief von Sven Glöckner aus Österreich (11. Mai 2025 um 21:42 Uhr)Hallo jW-Team, hallo Dieter Reinisch. Ich möchte als Auslandsdeutscher, der über 21 Jahre in Österreich lebt und dieses Land liebt, eine Lanze für Österreich brechen. Bei der Gedenkveranstaltung im ehemaligen KZ Mauthausen war sehr wohl eine, sogar größere, Abordnung aus Russland in der langen Reihe der Kranzniederlegenden. Und das sowohl mit der Russischen als auch der roten Sowjetischen Flagge mit Hammer und Sichel. Ebenfalls in dieser Abordnung war die Weißrussische Flagge vertreten. (Kasachstan hatte eine eigene Abordnung, die Ukraine sowieso) Da die Veranstaltung von ORF2 vollumfänglich übertragen wurde, konnte man das da auch eindeutig anschauen. Ein Moderator ist auch auf die sowjetischen Befreier und Opfer und dem großen russischen Anteil an diesen während des Zweiten Weltkrieges eingegangen. Es ist nicht in Ordnung, Österreich in diesem Gedenken in irgend einer Weise mit Deutschland gleichzusetzen oder zu vergleichen! Natürlich muss auch Österreich sich teilweise dem westeuropäischen Druck beugen (leider). Aber so schändlich wie Deutschland mit dem Gedenken an die sowjetischen/russischen Befreier umgeht, das wird Österreich sich ganz sicher nicht geben. Denn Gottseidank ist doch noch einiges von der Österreichischen Neutralität übrig und wird auch im Land sehr hochgehalten. Liebe Grüße aus Tirol Sven Glöckner
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