Rapper unter Terrorverdacht
Von Dieter Reinisch
Terror Durch Kunst nennt sich eine Salzburger HipHop-Formation. Ihre Mitglieder haben ein angespanntes Verhältnis zur Polizei. Ähnlich ist es bei ihren weltweit bekannten Kollegen aus dem irischen Belfast, Kneecap. Denn was die Salzburger Musiker im Namen tragen, wird den Belfaster Künstlern nun von der Londoner Polizei vorgeworfen: Ein Mitglied des Raptrios ist am Mittwoch wegen einer terroristischen Straftat angeklagt worden, wie die Behörde bekanntgab. Dies sei nach »einer Untersuchung der Antiterroreinheit« erfolgt.
Liam O’Hanna, der unter dem Künstlernamen Mo Chara, irischer Slang für »Mein Freund«, auftritt, wird beschuldigt, eine Flagge der libanesischen Hisbollah gezeigt zu haben. Er muss am 18. Juni vor dem Amtsgericht Westminster erscheinen. O’Hanna soll die Flagge bei einem Konzert in der britischen Hauptstadt gezückt haben. Die Band bezeichnete die Anklage in einer Stellungnahme als »politisch motiviert« und als Versuch, die Gruppe zum Schweigen zu bringen. Aufgrund ihrer offenen Unterstützung für den palästinensischen und libanesischen Widerstand und der irisch-republikanischen IRA stand die Band bereits öfter in der Kritik. Nach ihrem Auftritt beim Coachella-Festival in Kalifornien im April sagten einige US-Veranstalter Konzerte der Band ab.
Während des Auftritts in Kalifornien hatte die Gruppe gesagt: »Israel begeht einen Völkermord am palästinensischen Volk«, gefolgt von: »Dies wird von der US-Regierung ermöglicht, die Israel trotz seiner Kriegsverbrechen bewaffnet und finanziert«. Auf einem Bildschirm war zu lesen: »Fuck Israel. Free Palestine.« Ein Bandmitglied mit dem Künstlernamen DJ Próvai, in Anlehnung an die militärische Organisation Provisional IRA, trägt bei Auftritten regelmäßig eine Sturmhaube in den Farben Irlands. Ein bekanntes Motiv der Band zeigt ein brennendes Panzerfahrzeug der nordirischen Polizei.
Die politischen Stellungnahmen sind bei Kneecap mehr als performativ: Alle drei Musiker stammen aus dem nationalistischen Westbelfast, wo sie in linksrepublikanischen Kreisen aktiv waren. Ihre klare Positionierung könnte der Band zum Verhängnis werden: Die Terroranklage vom Mittwoch bezieht sich auf einen Auftritt am 21. November 2024 in Nordlondon. Während des Konzerts soll O’Hanna »eine Flagge in einer Weise oder unter solchen Umständen, die den begründeten Verdacht erweckten, er sei ein Unterstützer der verbotenen Organisation Hisbollah«, gehalten haben. Bandmanager Daniel Lambert sagte gegenüber dem irischen Sender RTÉ am Donnerstag, die Flagge sei aus dem Publikum auf die Bühne geworfen worden. In einer Erklärung schrieb die Band: »Wir sind uns klarer denn je darüber, wer wir sind und wofür wir stehen. Ein freies Palästina«. Die Gruppe stehe auf der »richtigen Seite der Geschichte«. Und: »Wir werden den Kampf vor Gericht aufnehmen und siegen.«
Britische Politiker wie der Premierminister Keir Starmer und unionistische Abgeordnete aus Nordirland kritisierten die Band. Unterstützung erhielt Kneecap derweil vom linken Abgeordneten für Westbelfast, Gerry Carroll: »Die Anklage sollte sofort fallengelassen werden.« Die britische Regierung versuche bewusst und unverhohlen, an Kneecap ein Exempel zu statuieren, »weil sie die westliche Beteiligung am Völkermord ans Licht gebracht haben«, so Carroll im Belfast Telegraph.
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