Repression und Straflosigkeit
Von Jürgen Heiser
Am 22. Juni 2020, nur einen Monat nach Ermordung George Floyds, hatte das Newsportal Middle East Eye (MEE) gemeldet, die US-Polizeibehörden seien »unter Druck, Ausbildungsprogramme mit Israel zu beenden«. Der Vorwurf: Zwei Jahrzehnte der Zusammenarbeit zwischen den Polizeiapparaten beider Staaten umfassten »Schulungen in Racial Profiling, Terrorismusbekämpfung und Unterdrückung von Protesten«. Der tödliche Einsatz gegen Floyd sei eine Folge davon. Dazu veröffentlichte MEE Fotos, »die in den sozialen Medien kursieren« und israelische Polizisten zeigen, die »in ähnlichen Positionen« wie bei Floyd »auf dem Genick von Palästinensern knien«. Das Video vom Erstickungstod des Afroamerikaners Floyd habe »bei vielen Palästinensern einen Nerv getroffen«, weil diese Polizeimethoden zum Alltag in den besetzten Territorien gehörten.
Mittlerweile sind die Fakten bekannt, dass seit Anfang der 1990er Jahre Hunderte leitende und mit Ausbildungsprogrammen befasste US-Sicherheitskräfte im Rahmen eines auch von US-Ministerien geförderten Austauschs nach Israel entsandt wurden oder an Trainingsprogrammen in den USA teilnahmen, die von israelischen Lobbyorganisationen gesponsert wurden. Eines der Programme wurde auch in Minneapolis durchgeführt, der Stadt, in der Floyd von dem Polizisten Derek Chauvin ermordet wurde. Mehrmals hat sich MEE beim Minneapolis Police Department (MPD) erkundigt, »ob Chauvin zu den 100 Polizeibeamten aus Minnesota gehört, die an der Schulung teilgenommen haben«. Das MPD blieb eine Antwort schuldig, aber es war bekannt, dass Chauvin 18 Jahre lang der zuständige Ausbilder der Abteilung war.
Menschenrechtsorganisationen haben die Austauschprogramme angeprangert und davor gewarnt, dass die Standards und Taktiken der israelischen Polizei nur dazu führten, die Methoden des Racial Profiling und so die Fälle von Polizeigewalt in den USA zu verschärfen. Sprecher der »Jewish Voice for Peace« erklärten gegenüber der Presse, bei den Protesten gegen Polizeigewalt habe sich gezeigt, »dass die in Israel trainierten US-Polizeikräfte sich gegenüber Menschen, die friedlich ihre Grundrechte ausüben«, so verhielten, »als bewegten sie sich in Besatzungsgebiet«.
Auch im Bereich der Nichtverfolgung von strafbaren Gewalttaten im Dienst durch Sicherheitskräfte will Washington offensichtlich jetzt mit Israel gleichziehen. Wie AFP am Donnerstag meldete, will die Regierung von Donald Trump ausgerechnet fünf Jahre nach Floyds Tod »Ermittlungen gegen Polizisten in ähnlichen Fällen einstellen«. Das US-Justizministerium habe am Mittwoch angekündigt, es wolle Polizisten in Minneapolis (Minnesota) entlasten, und Vorwürfe gegen Polizeikräfte in fünf weiteren Städten kämen »auf den Prüfstand«.
Anwälte von Opfern von Polizeigewalt reagierten entsetzt. Rechtsanwalt Ben Crump sprach von einer »Ohrfeige« für die Familie des ermordeten George Floyd. Derek Chauvin war im Juni 2021 zu 22 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Seit der Wiederwahl Trumps gab es Spekulationen, er könne Chauvin begnadigen. Anwalt Crump erklärte dazu, er werde weiter für Gerechtigkeit kämpfen.
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