Gegen Reaktionäre und Staat
Von Gitta Düperthal
In diesem Frühjahr werden vor dem Amtsgericht Berlin mehrere Prozesse wegen Widerstandes beim Protest gegen den rechten »Marsch für das Leben« in der Bundeshauptstadt im September 2024 verhandelt. Beim vom sogenannten Bundesverband Lebensrecht veranstalteten Marsch setzen sich seit etwa 20 Jahren in Berlin, München, Köln und anderswo in der Republik reaktionäre Ewiggestrige gegen die reproduktive Selbstbestimmung von Frauen ein und fordern, die Abtreibungspolitik zu verschärfen.
Darum geht es nun vor Gericht: Am 21. September versuchten Aktivistinnen von Frauenorganisationen und feministischen Bündnissen eine Blockade zu organisieren. Die Polizei leitete den Marsch daran vorbei. Danach sei es jungen Frauen von der Gegendemo gelungen, bei der Kundgebung auf die Bühne zu gelangen und die dort vorgebrachte rechte Propaganda zu unterbrechen. Das berichtete Lilo Krüger (Pseudonym) von der Berliner autonomen Ortsgruppe »Zora« Anfang der Woche gegenüber junge Welt. Auch sie muss sich am kommenden Montag wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte vor Gericht verantworten.
»Wir wollten die Kundgebung der Fundamentalistinnen und Rechten stören, damit sie nicht erneut ihre Stimme für faschistische Inhalte erheben«, so Krüger. Der Zug tarne sich mit Familien, Kindern und Luftballons, auf denen »Liebe für Jesus« steht, sei aber kein familienfreundlicher Marsch. Dahinter steht eine Gruppe mit engen Verbindungen zu extrem rechten Kräften. AfD-Politikerinnen wie Beatrix von Storch und Nicole Höchst gehe es darum, »ein faschistisches Frauenbild« zu etablieren. »Wir wollen den Prozess politisch aufgreifen und öffentlich machen, dass junge Frauen, die sich für Abtreibungsrechte einsetzen, vor Gericht stehen, während die Faschisten sich die Straßen nehmen«, heißt es in einer Mitteilung von »Zora«.
Skandalös findet Krüger, dass die Polizei Straßen zum Schutz für extrem Rechte abriegelt, während sie Gegendemonstrantinnen zugleich Personenkontrollen unterziehe und durch Berlin prügele: Bei der Blockadeaktion sei einer Demonstrantin der Fuß gebrochen worden. »Der Staat zeigt so, auf welcher Seite er steht«, wenn Polizisten junge Aktivistinnen angriffen, die für das Selbstbestimmungsrecht über ihren eigenen Körper auf die Straße gehen. »Abtreibung ist immer noch nicht legalisiert«, kritisiert sie. Mit der neuen Union-SPD-Regierung sieht sie keine Hoffnung, dass Frauen mit ihren berechtigten Forderungen dahingehend berücksichtigt werden. Der Paragraph 218, der grundsätzlich vorsieht, den Schwangerschaftsabbruch strafrechtlich zu verfolgen, werde auch in dieser Legislaturperiode nicht abgeschafft.
»Nicht nur die AfD, ultrarechte Fundamentalistinnen und Neonazis greifen uns an, indem sie sich unseren Rechten entgegenstellen und ihren Frauenhass auf die Straße tragen«, kritisiert die Aktivistin. Die seien nur mobilisierungsstark, weil die bürgerlichen Parteien das mittrügen. Klar diskutiere man bei feministischen, internationalistischen und antikapitalistischen Gruppen wie »Zora« ein AfD-Verbot. Die Partei sei jedoch nur ein Arm des aufstrebenden Faschismus in Deutschland, meint Krüger. Unabhängig von solchen Kräften im Parlament seien militante Faschogruppen im Aufwind, die es politisch zu bekämpfen gelte. Ein breites Bündnis wird sich auch kommenden Märschen entgegenstellen, in diesem Jahr am 20. September in Berlin und in Köln. In der Hauptstadt erwartet »Zora«, dass wieder Rechte aus umliegenden Bundesländern wie Sachsen oder Brandenburg anreise. In Köln habe man es 2023 geschafft, den Marsch zu blockieren, und ihn 2024 mit Tausenden Gegendemonstrantinnen kleinzuhalten.
Die feministische Gegenbewegung will weitere Prozesse politisch begleiten, darunter einen wegen tätlichen Angriffs, Widerstand und Körperverletzung. »Zora« ruft auf, sich »gegen absurde Repressionspolitik« bundesweit in Ortsgruppen zu organisieren. In Berlin treffen sich bereits zwei solche Gruppen von Frauen zwischen 14 und 30 Jahren regelmäßig in Neukölln und im Wedding, um zu Themen wie Femizide, patriarchale Gewalt, Palästina oder zum kurdischen Frauenbefreiungskampf zu arbeiten. »Organisierung ist in diesen Zeiten wichtig«, betont Lilo Krüger.
Öffentlicher Prozess am 26. Mai, 9 Uhr, Amtsgericht Tiergarten, Turmstr. 91, Berlin
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