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Aus: Ausgabe vom 23.05.2025, Seite 15 / Feminismus
Abtreibungsgesetze in den USA

Geburt um jeden Preis

Auswüchse der sogenannten Pro-Life-Bewegung in den USA: Leben einer hirntoten Schwangeren künstlich verlängert, damit sie Embryo austrägt
Von Claudia Wrobel
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Nach ihrer Meinung sollen hirntote Frauen noch austragen müssen (Washington, 19.1.2025)

Ein Brustkorb, der sich kräftig hebt und senkt. Ein Herz, das gleichmäßig schlägt. Ein Bauch, der mit jeder Schwangerschaftswoche größer wird. Aber keine Hirnaktivität. In Georgia, USA, wird der Körper einer 28jährigen Schwangeren am Leben gehalten, obwohl ihr Hirntod bereits im Februar festgestellt wurde, als sie in der neunten Schwangerschaftswoche war. Ein Kaiserschnitt, um den Fötus zu entbinden, ist frühestens im August geplant.

Die Mutter der Schwangeren erklärte vor einer Woche im lokalen Fernsehsender 11 Alive, dass der Familie unter Verweis auf die bestehende Schwangerschaft von der behandelnden Klinik jegliches Mitspracherecht über die künstliche Lebensverlängerung versagt worden war. Emotional sei die Situation extrem belastend, auch für den Sohn der Schwangeren, mit dem sie sie oft besuchten und dem sie erzählten, dass seine Mutter schlafe. Hinzu kommen finanzielle Sorgen, da mit jedem Behandlungstag die Krankenhauskosten immer weiter steigen.

Eine Frau als menschlicher Brutkasten: Was klingt wie eine dystopische Zukunftsvorstellung, ist die Auswirkung der mittlerweile extrem restriktiven Gesetzgebung zu Schwangerschaftsabbrüchen in einigen US-amerikanischen Bundesstaaten. So gilt etwa in Georgia das sogenannte Heartbeat Law (Herzschlaggesetz). Das verbietet Schwangerschaftsabbrüche ab dem Moment, in dem im Ultraschall ein fetaler Herzschlag erkennbar ist. Das passiert etwa in der sechsten Schwangerschaftswoche, einem Zeitraum, in dem viele Schwangere, vor allem, wenn die Empfängnis ungeplant war, noch gar nicht wissen, dass sie schwanger sind.

Außerdem gilt dort und in anderen konservativen Bundesstaaten das Konzept der Fetal Personhood (sinngemäß: des fetalen Menschseins). Das beschreibt den Grundsatz, nach dem Embryonen und sogar befruchteten Eizellen alle Rechte zuerkannt werden, die Personen zustehen. Dies berührt sämtliche reproduktiven Rechte, weil damit nicht nur in den Anspruch auf einen Schwangerschaftsabbruch eingegriffen werden kann, sondern sogar Fehlgeburten oder notwendige medizinische Eingriffe bei Schwangeren kriminalisiert werden können.

Die Situation in Georgia zeigt nun auch, welcher Druck auf medizinischen Einrichtungen in konservativen Bundesstaaten der USA lastet, seitdem der Oberste Gerichtshof die bundesweit einheitlichen Mindeststandards zu Schwangerschaftsabbrüchen – bekannt als Entscheidung »Roe vs. Wade« – 2022 außer Kraft gesetzt hat. Aus Angst, gegen die oft populistisch formulierten Gesetze zu verstoßen, mit denen vorgeblich Ungeborene geschützt werden sollen, bleiben notwendige Behandlungen aus oder werden zu spät durchgeführt.

Denn das Risiko für Frauen in US-Bundesstaaten, in denen Abbrüche verboten oder extrem streng reglementiert und damit kaum zugänglich sind, während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett zu sterben, ist in etwa doppelt so hoch wie in anderen Bundesstaaten. Das zeigt eine Auswertung von Daten der US-Gesundheitsbehörde, die das Gender Equity Policy Institute (Institut für Geschlechtergleichstellung) im April veröffentlicht hat. Die Analyse zeigt auch deutlich, dass die Aufhebung der Entscheidung »Roe vs. Wade« direkte Auswirkungen hatte: Eine Auswertung der Daten aus dem Zeitraum von 2019 bis 2023 zeigt, dass die Unterschiede zwischen den Bundesstaaten mit dem Jahr 2022 erheblich zunehmen. Nichtsdestotrotz war es auch schon vorher in den Staaten, in denen es faktisch kein Recht auf Abtreibung mehr gibt, deutlich schwieriger, einen solchen Eingriff durchführen zu lassen. Und mit der allgemein höheren Gefahr für Schwangere und Gebärende steigt das Risiko für marginalisierte Gruppen sogar noch stärker: Im Jahr 2019 war die Wahrscheinlichkeit, dass Schwarze in Bundesstaaten, die später Abtreibungen verboten, während der Schwangerschaft, Geburt oder kurz nach der Entbindung starben, 2,2mal so hoch wie bei weißen Frauen. Bis Ende 2023 war dieser Unterschied auf das 3,3fache gestiegen.

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