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Aus: Ausgabe vom 23.05.2025, Seite 14 / Medien
Vertrauen in Medien

Das Misstrauen wächst

Einstellung der Bevölkerung zur Berichterstattung der Medien wird negativer. Zum staatstragenden Subtext einer Studie
Von Kristian Stemmler
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Wer diesem Mann vertraut, ist selbst schuld. Also, frei nach Peter Lustig: Einfach mal abschalten!

Mit einem zufriedenen Unterton berichtete der vom Hessischen Rundfunk herausgegebene Onlinepublikationsdienst Media Perspektiven über eine in dieser Woche publizierte Studie: »Auch in Zeiten nationaler und internationaler Krisen und Konflikte«, hieß es da, informiere sich die Bevölkerung »vertrauensvoll über Medienangebote«. Dies sei ein zentrales Ergebnis der »Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen«, die federführend von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz durchgeführt werde. Tatsächlich war diese Nachricht höchstens die halbe Wahrheit – und zugleich ein schönes Beispiel dafür, dass die mediale Darstellung gesellschaftlicher Realitäten interessengeleitet ist und dafür, wie durch Gewichtung von Fakten Sachverhalte ins rechte Licht gerückt werden.

Auch die Pressemitteilung der Mainzer Uni zur neuen »Erhebungswelle« der Langzeitstudie, die seit 2015 jährlich per bundesweiter Befragung das Vertrauen in Medien misst, war erkennbar vom Willen getragen, die Ergebnisse positiv zu interpretieren. »Medienvertrauen in Deutschland ist weitgehend stabil«, hieß es in der Überschrift. Falsch ist das nicht. Denn 47 Prozent der im vergangenen Jahr Befragten gaben an, dass sie den etablierten Medien »eher oder vollkommen« vertrauen, wenn es um »wirklich wichtige Dinge geht – etwa Umweltprobleme, Gesundheitsgefahren und politische Skandale«. Im Jahr 2023 waren dies 44 Prozent gewesen, vor zwei Jahren 49 Prozent.

In der BRD gebe es »weiterhin keine flächendeckende Erosion des Vertrauens in die Medien«, heißt es zu diesen Ergebnissen in der Mitteilung der Uni. Und Media Perspektiven schlussfolgert gar, von einer Vertrauenskrise zwischen Bevölkerung und Medien, wie sie kolportiert werde, könne »hierzulande nicht gesprochen werden«. Das kann man aber auch ganz anders sehen. Denn die 47 Prozent, die Medien vertrauen, sind nicht mal die Hälfte der Bevölkerung – 34 Prozent der Befragten gaben an, den Medien nur »teils, teils« zu glauben, 20 Prozent sogar »eher nicht oder überhaupt nicht«.

Angesichts des Anspruchs bürgerlicher Medien, stets objektiv und unabhängig zu berichten, und des gewaltigen Aufwands, mit dem sie ihre Sichtweisen durchsetzen, ist das ein hoher Wert. So kommt die Studie auch nicht an der Feststellung vorbei, dass es mit dem Medienvertrauen gerade bei bestimmten Themen nicht so weit her ist. Berichten über das Vorgehen Israels in Gaza etwa vertrauen nur 27 Prozent »eher oder voll und ganz«, bei Beiträgen über Migration liegt dieser Wert bei 31 Prozent. Der Berichterstattung über den Ukraine-Krieg glauben 40 Prozent der Befragten.

Dass die Onlineplattform in ihrem Beitrag zur Studie von »stabilem Medienvertrauen« spricht, hat wohl auch damit zu tun, dass sie zur ARD gehört. Daher wird auch betont, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen in der Befragung die Mediengattung ist, der am meisten vertraut wird. Wobei dieses Vertrauen bröckelt: Mit 61 Prozent wurde der tiefste Wert seit 2018 erreicht. Die Gründe dafür werden in der Studie nicht abgefragt. Aber vermutlich hängt das damit zusammen, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten – etwa in den Talksendungen – weiterhin penetrant für Israel oder für die Aufrüstung des Landes trommeln.

Bezeichnend für die staatstragende Haltung der Studienautoren ist der Umstand, dass sie grundlegende Kritik an den Medien unter dem Begriff »Medienzynismus« zusammenfassen. Dabei handele es sich um »eine Einstellung, die die Integrität und Legitimität des Mediensystems an sich in Frage stellt«, heißt es in der Untersuchung. Diese Einstellung wird anhand von Aussagen wie »Die Medien sind in der Bundesrepublik lediglich ein Sprachrohr der Mächtigen« gemessen. Die Zustimmung zu derartigen Aussagen nimmt in der Studie seit 2018 tendenziell zu.

Bei einer Aufschlüsselung der Befragten nach Parteipräferenz ergibt sich übrigens, dass ausgerechnet Anhänger der Partei Die Linke am meisten Vertrauen in die Medien haben, gemeinsam mit denen von Bündnis 90/Die Grünen. In beiden Lagern stimmen 71 Prozent den Medien voll oder eher zu. Zum Vergleich: Bei der Union sind es 48 Prozent. Offenbar fehlt es in der Linke-Anhängerschaft an einer fundierten Medienkritik und -skepsis, wie sie für Linke eigentlich selbstverständlich sein sollten.

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