China zieht gleich
Von Jörg Kronauer
Ein neues Kürzel sorgt für beunruhigte Diskussionen unter westlichen Militärs: J-10C. »Menglong« wird der im südwestchinesischen Chengdu produzierte Kampfjet auch genannt, »energischer Drache«. Einer davon, im Besitz der pakistanischen Luftwaffe, hat in einem Luftgefecht während des jüngsten Waffengangs zwischen Indien und Pakistan mindestens einen indischen Kampfjet abgeschossen – und zwar nicht irgendeinen, sondern ausgerechnet eine in Frankreich gefertigte »Rafale«, eins der modernsten Flugzeuge, die die EU zu bieten hat. Was das bedeutet, darüber wird jetzt in Fachkreisen heiß diskutiert. Die Zwischenbilanz lautet: Die Volksrepublik hat in einem zentralen Bereich der Militärtechnologie aufgeholt; ihre Kampfjets sind westlichen Modellen nun offenkundig ebenbürtig. Manche fragen sogar besorgt, ob sie nicht US-Modellen womöglich bereits überlegen sind, Modellen, die wie die F-35 bislang als das Nonplusultra unter den Kampfjets gelten. J-10C wird man sich merken müssen.
Was die Debatte zutage fördert, ist die Spitze eines Eisbergs: China holt technologisch auf breiter Front auf. Zu Jahresbeginn sorgte Deep Seek weltweit für Schlagzeilen: Gerade hatte US-Präsident Donald Trump Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe in KI-Rechenzentren angekündigt, um die vermeintliche US-Dominanz in der Branche zu zementieren, da teilte Deep Seek mit, ihr jüngstes KI-Produkt erziele für einen Bruchteil dieser Summe gleiche oder sogar bessere Resultate. Huawei entwickelt mittlerweile Chips, die den kleinsten, modernsten aus westlicher Produktion sehr nahekommen. Die Volksrepublik holt technologisch flächendeckend auf. Kürzlich erklärte der Vorsitzende des Kfz-Zulieferers ZF Friedrichshafen, er denke nicht im Traum daran, mit seinem Konzern China zu verlassen; denn dort würden schließlich die avanciertesten Technologien entwickelt: »China ist für uns ein Fitnessraum.« Wer dort besteht, liegt in der zurückfallenden EU vorn.
Was bedeutet das für den Westen? Nun, er wird seine technologische Dominanz verlieren, und er wird, was sein ökonomisches Gewicht anbelangt, langfristig wohl auf sein reales Volumen zurechtgestutzt – auf das Gewicht, das 83 Millionen Deutsche, 350 Millionen US-Amerikaner oder 450 Millionen EU-Bürger im Vergleich zu 1,4 Milliarden Chinesen eben haben. Man kann es machen wie der Kfz-Zulieferer ZF: Er klinkt sich in China ein, profitiert von dessen Entwicklung, trägt zu ihr bei – eine Win-win-Situation, würden viele Chinesen dazu sagen. Man kann es machen wie die Trump-Regierung: Sie schottet die zunehmend rückständige US-Industrie mit Zollmauern von China ab und bekämpft die Volksrepublik erbittert – eine Lose-lose-Strategie. Die Bundesregierung setzt ihrerseits alles auf eine Karte: auf die Rüstungsindustrie. Dass die »Rafale« wohl gegen die J-10C verliert, sollte zu denken geben.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Steffen W. aus Berlin (23. Mai 2025 um 14:29 Uhr)Die Friedensbewegung bringt derzeit leider nicht die Mengen an Menschen auf die Straße, die nötig sind, um die hochakute Kriegsgefahr substantiell zu verringern. Die NATO und die westlichen Staaten orientieren darauf, China zu überfallen. Aus meiner Sicht besteht in der Militärtechnik in den Händen Chinas keine Kriegsgefahr, so wie es auch mit der Nationalen Volksarmee in der DDR war. Dies zugrundelegend ist einzuschätzen, dass J-10C den Frieden sichert, da die Spitzentechnologie in der Hand der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) die imperialistischen Kriegstreiber des Westens davon abhält, China zu überfallen. Von ganzem Herzen gratuliere ich den Genossinnen und Genossen der KPCh zu diesem herausragenden Erfolg. Dieser Erfolg sendet außerdem auch ein sehr deutliches Signal des Antikolonialismus um die Welt. Heute ist es durchaus möglich, dass imperiale Mächte, die versuchen, koloniale Interessen militärisch durchzusetzen, richtig anständig eins in ihre dumme Fresse kriegen! Das ist gut so.
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Leserbrief von Georgy Hegwer (geborener Martschenko) aus Würzburg (Germany) (24. Mai 2025 um 14:37 Uhr)Imperiale Mächte und westliche Kriegstreiber gehören schon längst auf den Müllhaufen der Geschichte. Ich, gebürtiger Ukrainer älterer Generation (!), freue mich über militärische Erfolge Russlands und Chinas!
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Stephan K. aus Neumarkt i.d.OPf. (23. Mai 2025 um 08:00 Uhr)Ich empfehle hier auch die Lektüre des großartigen britischen Historikers Peter Frankopan. »Licht aus dem Osten« und »Die Neuen Seidenstraßen«. In Kombination mit den neuen Nachrichten zu chinesischer Hightech (neu, aber nicht überraschend, siehe u. a. Frankopan) versteht man die Entwicklung der Welt und die Chinas in einer Rolle, bzw. zu einem globalen Schwergewicht, welches es unter allen existierenden Mächten die längste Zeit war – und vor unseren Augen ist bzw. wieder wird. China war Jahrtausende stabil ein Drittel der globalen Ökonomie – oder mehr – und an der Spitze des Fortschritts. Gekoppelt mit unglaublicher Stabilität, einer interessanten Mische aus Kontinuität und Wandlung. Frankopan sieht in China die entscheidende (neue) globale Lokomotive, er sieht in vielen Ländern der Seidenstraßen, Länder, die im Aufstieg sind und ebenfalls neue (alte) Bedeutung erreichen werden. Er sieht die Lage schwierig bis dramatisch schwierig für jene, die sich von den Neuen Seidenstraßen abkoppeln.
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