Gegründet 1947 Donnerstag, 22. Mai 2025, Nr. 117
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 22.05.2025, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

jW_Leserbriefe_Standart.jpg

Den Gebeutelten entlasten

Zu jW vom 20.5.: »›Akuttherapie‹ gegen ­Kollaps«

Über 90 gesetzliche Krankenkassen leistet sich das Gesundheitssystem – mit über 90 Vorständen, über 90 mehr oder minder stark ausgebauten Strukturen. Alles wird aus den Beiträgen der Menschen finanziert (und den Bundeszuschüssen). Alles in eine Sozialversicherung (oder es gibt ja auch die Vokabel Bürgerversicherung) zu überführen, würde diesen Sektor der allgemeinen Vorsorge sicher spürbar entlasten. Dazu kommt, dass in den Krankenhäusern und Arztpraxen die Abrechnerei sich deutlich vereinfachen würde. Womit sicher etliche Fachkräfte von fachfremden Leistungen entlastet werden würden. Oder mache ich nur eine »Milchmädchenrechnung«? Für mich ist das eher gesunder Menschenverstand. Denn es gibt ja nur noch marginalen Wettbewerb zwischen den Kassen. Der finanzierbare Leistungsumfang ist vorgegeben, und die freiwilligen Leistungen der Kassen unterscheiden sich nicht großartig. Hier wäre meines Erachtens ein Ansatz, um den eh schon gebeutelten Beitragszahlern weitere Erhöhungen zu ersparen. Und wenn dann noch alle, aber wirklich auch alle, in dieses System einzahlen, wäre dann nicht das Thema Beitragserhöhung vom Tisch? Als positiver Nebeneffekt wäre auch die Zweiklassenmedizin Geschichte.

Andreas Eichner, Schönefeld

Top Titelseite

Zu jW vom 16.5.: »Mehr Waffen, mehr Profit«

Zwei mehr oder weniger linke Blätter machen am 16. Mai mit zwei »Kriegshelden« auf der Titelseite auf, die ohne »ihre« Kriege längst vor Gericht stünden, anstatt den Staats- bzw. Regierungschef zu spielen: die UZ mit Netanjahu, dem Wadepuhl gerade fast die Hand küsst (alles schön bunt, wozu ist der Vierfarbendruck sonst nütze), das ND – Die Woche mit Selenskij (ganz groß und in olivgrün, größer und bunter geht es nicht). Danke, junge Welt, dass ihr das nicht mitmacht! Eure 35 Panzer sind die wahren Zeichen der Zeit! Die sich seit März 1999 und Februar 2014 jeweils immer weiter zum Schlimmeren hin wendet.

Volker Wirth, Berlin

»Viel gutzumachen«

Zu jW vom 14.5.: »Einfach und wahr«

Die bundesdeutsche Politik hat viel gutzumachen bei Menschen wie Margot Friedländer. Jahrzehntelang hat dieser Staat die Täter geschützt, bevor ihn das schlechte Gewissen plagte. Keinen von denen, die am Grabe vorgaben zu trauern, interessiert, wie die offizielle Politik noch 1994 ebenfalls mit einem deutschen Juden umsprang: mit Stefan Heym, Alterspräsident des Deutschen Bundestags. Mit dem man absolut beschämend und empörend umsprang, weil er es wagte, mahnende Worte nicht nur über die Vergangenheit, sondern auch über die Gegenwart vorzutragen. Margot Friedländer hätte es verdient gehabt, von deutlich weniger Heuchlern zu Grabe getragen zu werden.

Joachim Seider, Berlin

Fürstenapologet

Zu jW vom 15.5.: »Dran, dran, dieweil das Feuer heiß ist!«

Luthers reaktionäres Wirken ging weit über seine Schrift »Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern« hinaus. In aufsehenerregender Weise hat der langjährige Journalist der Frankfurter Rundschau, Peter Henkel, mit seinem im 500. Jubiläumsjahr der Reformation erschienenen Buch »Schluss mit Luther« (2017) enthüllt, dass der Verkünder des Thesenanschlags, der ursprünglich Luder hieß, in Wirklichkeit mit seiner religiösen Doktrin Hass und Fanatismus verbreitete, reaktionärem Obrigkeitsdenken anhing, den Tötungsterror der Fürsten verteidigte und ein Feind des Humanismus dieser Zeit war. Wie er »in vielem knietief in der mystischen Frömmigkeit des Mittelalters steckte«, belegte der Autor, wenn er dessen Haltung zum Menschen wiedergab, der für ihn ein »Klumpen Sündendreck« war, ausgemacht durch »Sünde, Blindheit, Elend, Gottlosigkeit, Unwissenheit, Hass, Gottesverachtung, Tod, Hölle und verdienten Gotteszorn«. Luther war nicht nur ein Feind der Papisten, Juden, rebellischen Bauern, frönte einer Zauberer- und Hexenphobie, sondern forderte auch, »Ehebrecher zu steinigen«, Prostituierte, auch »giftige Huren« genannt, »rädern und steinigen« zu lassen. Sein »mörderischer Hass schreckte vor keiner Verunglimpfung zurück«, schrieb Henkel und zitierte, wie er gegen den bedeutenden Vertreter des Humanismus dieser Zeit, Erasmus von Rotterdam, der für ihn »der größte Feind Christi« war, wütete: Wer den »zerdrückt, der würgt eine Wanze, und diese stinkt noch tot mehr als lebendig«. Schockierend, was Henkel über den Lutherschen Antisemitismus, der damit jedoch nur »annähernd zu erfassen« sei, festhielt. Von den Juden sagte er, dass sie »die Brunnen vergiftet, heimlich gemordet, Kinder gestohlen« haben, dass sie mit dem Urteil Christi »giftige, bittere, rachgierige hämische Schlangen, Meuchelmörder und Teufelskinder sind, die heimlich stechen und schaden tun«. Er predigte, dass »man ihre Synagogen oder Schulen mit Feuer anstecke und, was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, dass kein Mensch einen Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich«, man auch ihre Häuser desgleichen »zerbreche und zerstöre«. Luther ging bis zur Forderung »ihrer Vertreibung, Enteignung, Berufsverbot, Zwangsarbeit, Zerstörung von Häusern, Gotteshäusern und Schulen, sowie (der) Todesstrafe für jüdische Geistliche«. Bei Tisch äußerte er: »Wenn ich einen Juden taufe, will ich ihn an die Elbbrücke führen, einen Stein um den Hals hängen und ihn hinabstoßen und sagen, ich taufe dich im Namen Abrahams.« Henkel verwies auf den reaktionären Historiker Heinrich von Treitschke, der Jahrhunderte später Luthers Aussage nutzte, zu sagen: »Die Juden sind unser Unglück«, was die Nazis übernahmen, um »ihre Greueltaten als überlebensnotwendige Notwehr des deutschen Volkes gegen das Judentum« zu rechtfertigen.

Doris Prato, per E-Mail

Margot Friedländer hätte es verdient gehabt, von deutlich weniger Heuchlern zu Grabe getragen zu werden.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

                                                                   junge Welt stärken: 1.000 Abos jetzt!