Havanna hält dagegen
Von Volker Hermsdorf
Der Tourismus ist eine der wichtigsten Devisenquellen für die kubanische Wirtschaft und erweist sich zugleich als deren Achillesferse. In den vergangenen Jahren war er Ziel einer Reihe von Angriffen, darunter eine ständige Verschärfung der von der US-Regierung verhängten Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade, gezielte Medienkampagnen und zunehmende Schikanen gegen Reisende und das Reiseziel Kuba. Einschränkungen bei Flugreisen, das Verbot von Kreuzfahrten aus den USA, die Verweigerung der visumfreien Einreise in die USA für Touristen, die Kuba besucht haben, und die – einen Tag nach Donald Trumps Amtsantritt erfolgte – erneute Aufnahme Kubas in die US-Liste »terrorunterstützender Staaten« erschweren Buchungen und die Möglichkeiten der internationalen finanziellen Abwicklung.
Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel verurteilte die Maßnahmen in einer Rede vor Teilnehmern der internationalen Tourismusmesse »FIT Cuba 2025« in Havanna kürzlich als »Teil der Aggressivität der Vereinigten Staaten« gegen die Insel. »Wenn der Tourismus unterbunden wird und Menschen daran gehindert werden, in ein anderes Land zu reisen, werden die kulturellen Verbindungen und die Verbindungen zwischen den Nationen gekappt«, betonte er und wies so auf einen Aspekt hin, der über die wirtschaftlichen Schäden hinausgeht, die Kubas Bevölkerung zugefügt werden. Die sind allerdings beträchtlich. Im ersten Quartal dieses Jahres kamen mit 571.772 internationalen Gästen knapp 30 Prozent weniger Touristen ins Land als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Damit ist das ursprünglich anvisierte Ziel von 2,6 Millionen Besuchern in diesem Jahr in weite Ferne gerückt. Als Folge verschärfter Angriffe Washingtons hatte sich die Branche, die vor wenigen Jahren noch als »Motor der Volkswirtschaft« und Hoffnungsträger galt, bis zum Ende der Hochsaison 2024/25 noch nicht von den Einbrüchen während der Coronapandemie erholt. Nach einem Höchststand von 4,7 Millionen Besuchern im Jahr 2017 sank die Zahl 2023 auf 2,4 Millionen und im vergangenen Jahr auf 2,2 Millionen Gäste.
Den Kuba-Gegnern in Miami und Washington ist das offenbar noch immer zuviel. Am 13. Mai setzte das US-Außenministerium Kuba erneut auf eine Liste von Ländern, die »nicht vollständig mit den US-Bemühungen zur Bekämpfung des Terrorismus« kooperieren. Damit verschärfte Washington abermals seine völkerrechtswidrigen Sanktionen. Die erneute Aufnahme in diese Liste hat weitere negative Konsequenzen für Kubas Zugang zum internationalen Finanzverkehr und den Tourismus. Bereits seit Februar können kubanische Gastgeber nicht mehr das Onlineportal Airbnb nutzen. Auch das US-Onlinereisebüro Expedia teilte Vermietern auf der Insel unlängst mit, dass es keine Buchungen nach Kuba mehr akzeptiere. »Mit Wirkung vom 30. April 2025 wird Ihre Immobilie auf einen Verkaufsstopp gesetzt und wird für Reisende auf keiner der weltweiten Websites der Expedia Group mehr sichtbar sein«, teilte die Plattform einem privaten Vermieter in Havanna per E-Mail mit. Wie das von US-amerikanischen und kubanischen Journalisten betriebene investigative Onlineportal Belly of the Beast berichtete, kündigte das Unternehmen an, keine Buchungen nach Kuba mehr anzunehmen, da die Trump-Administration »angedeutet« habe, die dafür notwendige Lizenz nicht zu verlängern. Tatsächlich war trotz mehrerer Testversuche bei Expedia zuletzt keine Unterkunftsbuchung für Kuba mehr möglich.
Das global agierende Unternehmen mit Sitz in Seattle steht nicht nur unter dem Druck der Trump-Regierung. Ein Gericht in Miami hat Expedia und drei seiner Tochtergesellschaften unlängst gemäß Titel III des Helms-Burton-Gesetzes von 1996 zur Zahlung von 30 Millionen US-Dollar verurteilt. Das Gesetz ermöglicht es US-Bürgern, deren Besitz während der Kubanischen Revolution verstaatlicht wurde, Unternehmen zu verklagen, die auf ihrem einstigen »Eigentum« Geschäfte machen. Der Kläger hatte behauptet, seiner Familie habe Cayo Coco gehört, eine kleine Insel, auf der Expedia Zimmer angeboten hatte. Nun prüft ein US-Bezirksrichter, ob dem Kläger einst das Eigentum an Cayo Coco tatsächlich »von der Krone Spaniens übertragen« wurde. Die mündliche Verhandlung darüber wurde für den 25. August angesetzt.
Neben Expedia sperrt auch das in San Francisco ansässige Onlineportal Airbnb kubanische Anbieter aus. Gastgeber können ihre Zimmer nicht mehr vermieten, sofern sie nicht über ein Bankkonto außerhalb des Landes verfügen. Eine Vermieterin berichtete, ihre Angebote seien Ende Februar »ohne Vorankündigung« gesperrt worden. Auf Nachfrage habe man ihr mitgeteilt, sie solle ihre »Zahlungsmethode« ändern. Doch auch nachdem sie zu einer ausländischen Bank gewechselt sei, blieb die Sperre erhalten. Der Schritt könne damit zusammenhängen, dass Orbit, ein staatliches kubanisches Unternehmen, das Überweisungen des Finanzdienstleisters Western Union abwickelt, im Februar auf eine Liste der US-Regierung von »Restricted Entities« (eingeschränkten Unternehmen) gesetzt wurde. Eine weitere Schikane, um Kuba von Deviseneinnahmen abzuschneiden. Als Folge haben mehrere Unternehmen seit vergangener Woche die Weiterleitung von Überweisungen auf die Insel auf unbestimmte Zeit eingestellt.
Doch die Regierung in Havanna gibt sich trotz aller Angriffe auf die Achillesverse der kubanischen Wirtschaft optimistisch. Mit neuen Konzepten, zusätzlichen Partnern und der Einrichtung von Direktflügen zwischen Kuba und Deutschland ab November soll versucht werden, dem negativen Trend im Tourismus entgegenzuwirken.
Hintergrund: Tourismus in Kuba
Trotz Blockade setzt Havanna weiter auf die Reisebranche. Angesichts ständig verschärfter US-Sanktionen gegen den Tourismusbereich betonen Regierungsvertreter, dass eine der innovativsten Fähigkeiten des kubanischen Tourismus in seiner Anpassungsfähigkeit bestehe. »In schwierigen Zeiten versuchen wir nicht, den gleichen alten Tourismus zu machen, sondern setzen uns neue Ziele, Optionen und Visionen«, kündigte Präsident Miguel Díaz-Canel Anfang Mai auf der internationalen Tourismusmesse »FIT Cuba 2025« an. Ziel sei ein nachhaltiger Tourismus, der wirtschaftliche, soziale, kulturelle und ökologische Aspekte gleichermaßen integriere.
Obwohl Kuba von Besuchern und Reiseveranstaltern nach wie vor als das sicherste und eines der schönsten Ziele in Lateinamerika geschätzt wird, konnte das Land die blockadebedingten Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Karibikdestinationen wie Cancún oder Punta Cana in den vergangenen Jahren jedoch nicht kompensieren. Um den Tourismus trotzdem als Devisenbringer und zentralen Pfeiler der kubanischen Wirtschaftsstrategie zu stärken, sollen neben alternativen Konzepten vor allem auch Angebote mit neuen Partnern ausgebaut werden. Russland und China zeigen sich dabei besonders interessiert.
»Unser Ziel ist es, das Land mit der größten Anzahl von Touristen auf dem kubanischen Markt zu werden«, so der stellvertretende russische Premierminister Dmitri Tschernyschenko kürzlich beim Besuch von Miguel Díaz-Canel in Moskau. Im Juli soll die Karibikinsel dort auf Veranstaltungen »ihre Schönheiten und Produkte für russische Gäste« präsentieren. Die entdecken auch immer mehr Touristen aus China, deren Zahl 2024 bereits um 48,6 Prozent zunahm. Der Leiter der Chinesischen Tourismusakademie, Dai Bin, erklärte auf der Messe »FIT Cuba 2025«, Beijing wolle Kuba zum »wichtigsten Luftdrehkreuz zwischen China und der Karibik und zum ersten Ziel für chinesische Touristen in der Region« machen. (vh)
Siehe auch
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:
Ähnliche:
- Raimund Müller / IMAGO14.03.2025
»Teil des Problems ist die subversive Kampagne«
- Alexandre Meneghini/REUTERS24.07.2024
Schwierige Zeiten
- Everett Collection/imago25.10.2023
Hinterhof bereinigt
Mehr aus: Schwerpunkt
-
Cubana stößt in Marktlücke
vom 22.05.2025