Blick nach oben
Von Oliver Rast
Nach dem letzten Gong fällt er in der Ringmitte auf die Knie, reckt den rechten Handschuh in die Höhe, stützt den linken Unterarm auf den angewinkelten linken Oberschenkel. Das Kinn mit den leicht angegrauten Bartstoppeln läuft spitz zu, schweißdurchtränkte Haarsträhnen kleben auf der Stirn, das Augenpaar blickt himmelwärts. Eine Siegerpose, eine mit Demut.
Jürgen Doberstein hat es geschafft. Nach zwölf Runden. Einstimmiger Punktsieger gegen Hamisi Ayoub Maya aus Tansania (119:110, 119:111, 118:110), Sonnabend nacht in der Karmelenberghalle in Bassenheim bei Koblenz. Eine freiwillige, erfolgreiche Titelverteidigung des Weltmeistergürtels nach Version des Verbandes Global Boxing Council (GBC) im Supermittelgewicht (bis 76,2 Kilogramm). Ein Gürtel, den der 36jährige Deutsch-Kasache im September 2024 in der Saarbrücker Joachim-Deckarm-Halle errungen hatte. Gleichfalls einstimmig, gleichfalls gegen einen Tansanier.
Zum Fightreport: Energisch, aggressiv, bisweilen überfallartig – so agiert der 27jährige Herausforderer »The African Beast« im Hochring. Mayas Schlagsalven, Links-rechts-Kombinationen, bleiben indes in der Doppeldeckung Dobersteins hängen, verpuffen zumeist. Der Titelträger behält die Übersicht, kontert, punktet durch klare Hände – ohne zu brillieren. Im Verlauf des Ringgefechts erhöht der Lokalmatador Tempo und Schlagzahl, Maya versucht mitzuhalten, seinen Reichweitenvorteil zu nutzen. Manchmal gelingt ihm das, er trifft. Aber letztlich fehlt dem Tansanier die boxerische Klasse über die gesamte Distanz. Folgerichtig der Triumph vom »Dobermann«, der taktisch diszipliniert, konditionell überlegen und mental belastbar den Zwölfrunder über die Schaubühne brachte. Ein souveräner Auftritt inklusive typischer Begleiterscheinungen: Cut an rechter Augenbraue, Hämatome an Nasen- und Jochbein. Es sei halt ein »intensiver Kampf« gewesen, wird Doberstein nach der Ehrung in die TV-Kamera sagen.
Doberstein ist im Alter von neun Jahren mit seinen Eltern aus Kasachstan ins Saarland übergesiedelt, wohnt in Kleinblittersdorf, einer 10.000-Einwohner-Gemeinde südlich von Saarbrücken. Er boxt seit Kindesbeinen, war 2012 IBF-Juniorenweltmeister in seinem Limit und holte drei Jahre später den WBA-Intercontinental-Gürtel – sein bislang wichtigster.

Und nun die Titelverteidigung beim GBC, einem kleinen der zahlreichen Weltverbände, die Meister küren. Bloß, wohin soll es mit Doberstein gehen, was taugt sein Kampfrekord von 33 Siegen, neun davon vorzeitig durch Knockout, fünf Niederlagen und einem Unentschieden?
Fest steht, mit dem GBC-Titel hat er sich in den Rankings nach vorn geschoben. Durch den Gewinn im vergangenen Jahr war Doberstein in der unabhängigen Weltrangliste im Supermittelgewicht von Platz 122 auf 43 vorgerückt, nun wird er nach seinem siebten Sieg in Serie unter den Top 35 geführt. Mehr noch, im WBA-Ranking liegt er jetzt auf Platz 13. Doberstein hat bewiesen, er ist ein Kämpfer, er will den nächsten Schritt in seiner Laufbahn als Faustkämpfer machen. »Ich werde weiterhin hart trainieren, um noch stärker zurückzukommen und die nächsten Herausforderungen zu meistern«, erklärte Doberstein. Und dessen Manager Michael Schultheis wurde am Sonntag in der Saarbrücker Zeitung wie folgt zitiert: »Dieser Sieg zeigt, dass Jürgen bereit ist, Kämpfe auf höchstem Niveau zu bestreiten.« Nicht nur das, sein ambitionierter Schützling habe sich für internationale Fights bei allen großen Boxverbänden qualifiziert. Konkreter wird Schultheis aber nicht.
Für GBC-Chef Mario Pokowitz ist Doberstein ein Glücksfall, das Zugpferd – auch, um im Fernsehen künftig wieder stärker präsent zu sein. Bereits jetzt zeigt der Saarländische Rundfunk eine Zusammenfassung von Dobersteins Auftritten. Keine Selbstverständlichkeit. Liveübertragungen bei öffentlich-rechtlichen Sendern – zunächst regional, dann bundesweit – seien das Ziel von Verband und Management, erfuhr jW aus dem Umfeld Dobersteins. Klappt das, werden Boxfans Siege samt Pose des »Dobermanns« künftig am Bildschirm verfolgen können. In Echtzeit.
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