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Aus: Ausgabe vom 21.05.2025, Seite 6 / Ausland
Migration und Menschenrechte

Schutzstatus aufgehoben

USA: Oberstes Gericht entscheidet gegen Hunderttausende Venezolaner, schränkt pauschale Abschiebungen jedoch ein
Von Detlef Georgia Schulze
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Trumps Farce zeigt Wirkung: Honduranischer Grenzbeamter überprüft Tattoos nach Gangzeichen (Danli, 22.4.2025)

Die rechtliche Situation für Venezolaner in den USA wird immer prekärer. Am Montag fällte das Oberste Gericht in Washington eine vorläufige Entscheidung, die den temporären, ursprünglich aus politischen Gründen gewährten, sogenannten Schutzstatus für rund 350.000 Staats­­­­­bürger des lateinamerikanischen Landes betrifft. Die Regierung unter Präsident Joe Biden hatte ihn in den letzten Tagen ihrer Amtszeit noch bis Oktober 2026 verlängert. Aber das will die neue Administration unter Donald Trump rückgängig machen. So hat der Supreme Court nun die Anweisung eines Bezirksgerichts vorläufig außer Vollzug gesetzt, die den Erlass der neuen Regierung pauschal aufhob.

Nach Angaben von Ahilan Arulanantham, Kodirektor des Zentrums für Einwanderungsrecht an der Universität von Kalifornien und einer der Anwälte der betroffenen Venezolaner, handele es sich um die »größte Einzelmaßnahme in der modernen Geschichte der USA, bei der einer Gruppe von Nichtstaatsbürgern der Aufenthaltsstatus entzogen wird«. Der »Zwei-Absätze-Beschluss ohne Begründung« sei »wirklich schockierend«. Allerdings lässt das Gericht die Möglichkeit offen, dass Betroffene individuell Klagen einreichen, falls die Trump-Regierung versucht, zum Beispiel Arbeitserlaubnisse, die bis Oktober 2026 gültig sind, zu annullieren.

Das ist nicht der einzige Gerichtsentscheid der vergangenen Tage, der Venezolaner in den USA betrifft. Erst am Freitag hatte sich der Supreme Court erneut zum Fall »Tren de Aragua« (TdA) geäußert. TdA ist eine aus Venezuela stammende kriminelle Organisation, die im Februar von US-Außenminister Marco Rubio zur ausländischen terroristischen Vereinigung erklärt worden war und der Trump Mitte März eine Proklamation widmete, in der er behauptete, die Gruppe unternähme eine »Invasion oder ein räuberisches Eindringen in das Territorium der USA«. Damit sollte der sogenannte Alien Enemies Act (AEA) aktiviert werden. Dabei handelt es sich um ein aus der Frühzeit der USA stammendes Gesetz, das es ermöglicht, Angehörige von Staaten, mit denen die USA in einem bewaffneten Konflikt stehen, unabhängig von den Voraussetzungen des »normalen« US-Ausländerrechts abzuschieben.

Der Beschluss des Supreme Court vom Freitag sorgte nach seiner Veröffentlichung am Sonnabend für Aufregung. Denn das höchste Gericht bestätigte darin, dass Menschen nicht pauschal nach dem AEA abgeschoben werden dürfen. Das hatte der Supreme Court bereits zu Ostern so entschieden, die Regierung hatte dagegen aber sofort Einspruch eingelegt. Auch hielt der Supreme Court am Freitag fest, dass »eine Benachrichtigung etwa 24 Stunden vor der Abschiebung ohne Informationen darüber, wie das Recht auf ein gesetzeskonformes Verfahren zur Anfechtung der Abschiebung ausgeübt werden kann, definitiv nicht ausreicht«. Eine Prüfung nach der sogenannten Habeas-Corpus-Regelung muss gewährleistet sein.

Allerdings gilt der Entscheid vom Sonnabend ausschließlich für Nordtexas, da er sich auf dortige Fälle bezieht. So konnte unter Berufung auf das jüngste Urteil noch am Sonnabend selbst mittels erfolgreicher Rechtsschutzanträge die Abschiebung von fünf angeblichen venezolanischen TdA-Mitgliedern, die sich in Nordtexas befanden, nach El Salvador verhindert werden. Gleichzeitig wurden aber 137 weitere Betroffene aus anderen Bundesstaaten in ein salvadorianisches Hochsicherheitsgefängnis verschleppt.

Offen bleibt eine ganze Reihe Fragen: Darf der Alien Enemies Act überhaupt auf »Tren de Aragua« angewandt werden? Lässt sich das Handeln von TdA tatsächlich als »Invasion oder räuberisches Eindringen durch eine andere Nation oder Regierung in das Territorium der USA« verstehen? Was bedeuten nach dem AEA die Begriffe »Invasion« und »räuberisches Eindringen«? Auch der Kampf um den Schutzstatus ist nicht beendet. Dabei geht es auch nicht allein um venezolanische Staatsbürger. Denn im April hatte die US-Regierung auch Kamerunern und Afghanen ihren entsprechenden Aufenthaltsstatus kollektiv zu entziehen versucht.

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