Ein bisschen schauspielern
Von Kristian Stemmler
Wenn es um angebliche Sabotage im Auftrag Russlands geht, ist die mediale Aufmerksamkeit groß. Das gilt auch für den Prozess, der am Dienstag vor dem Oberlandesgericht (OLG) München begonnen hat. Angeklagt sind drei Männer mit deutscher sowie russischer Staatsbürgerschaft, denen die Bundesanwaltschaft vorwirft, militärische Einrichtungen ausgespäht sowie Brandanschläge und Sabotageaktionen gegen militärische Infrastruktur und Bahnstrecken geplant zu haben. Der Verteidiger des Hauptangeklagten Dieter S. wies die Anklage am ersten Verhandlungstag allerdings rigoros zurück, ebenso wie die beiden Mitangeklagten, Alexander J. und Alex D.
»Er ist kein Spion, er ist kein Saboteur«, erklärte der Anwalt von S. laut dpa vor Gericht. Sein Mandant habe lediglich gedacht, »er könnte ein bisschen schauspielern und einen auf Spion machen«. Er habe gehofft, als V-Mann anheuern und damit Geld verdienen zu können. Tatsächlich habe es aber nie irgendeine Verbindung zum russischen Geheimdienst gegeben. Alexander J. äußerte sich zu vermeintlich belastenden Nachrichten, die die drei untereinander ausgetauscht hatten. Diese seien »häufig ironisch, übertrieben oder scherzhaft« gemeint gewesen. Sie seien »Bestandteil, einer privaten, nicht erst gemeinten Situation«.
Die Bundesanwaltschaft sieht das ganz anders und fährt schwere Geschütze gegen die Angeklagten auf. Im April 2024 ließ sie Dieter S. und Alexander J. in Bayreuth festnehmen, seitdem sitzen sie in Untersuchungshaft. S. stehe in Kontakt zu einer Person, die »an einen russischen Geheimdienst angebunden ist«, hieß es damals zur Begründung aus Karlsruhe. Mit dieser Person habe Dieter S. sich seit Oktober 2023 über »mögliche Sabotageaktionen« in der BRD ausgetauscht. Die Aktionen hätten dazu dienen sollen, »die aus Deutschland der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg geleistete militärische Unterstützung zu unterminieren«.
Laut Anklage soll S. sich bereit erklärt haben, Sprengstoff- und Brandanschläge »vor allem auf militärisch genutzte Infrastruktur und Industriestandorte« zu begehen. Die Angeklagten sollen Informationen über eine Ölraffinerie in Bayern und über den Truppenübungsplatz der US-Streitkräfte in Grafenwöhr in der Oberpfalz gesammelt haben. Auch soll das Trio Pläne für Sprengstoffanschläge auf Gebäude oder Infrastruktur geschmiedet haben, die für die Unterstützung der Ukraine im Krieg genutzt werden. Dieter S. habe Informationen über potentielle Anschlagsziele gesammelt, darunter auch Einrichtungen der US-Streitkräfte.
Dieter S. wird außerdem vorgeworfen, zwischen Dezember 2014 und September 2016 im Osten der Ukraine als Kämpfer einer bewaffneten Einheit der »Volksrepublik Donezk« tätig gewesen zu sein und in diesem Zusammenhang eine Schusswaffe besessen zu haben. Die Bundesanwaltschaft hat ihn dafür wegen der »Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung« angeklagt. Auch diesen Vorwurf wies S. am Dienstag vor Gericht zurück. Er habe vielmehr im betreffenden Zeitraum eine Beziehung mit einer Frau in der Region geführt, sei aber nie in kriegerische Aktionen verwickelt gewesen. In dem Prozess vor dem OLG sind bis zum 23. Dezember mehr als 40 Verhandlungstermine geplant.
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