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Aus: Ausgabe vom 21.05.2025, Seite 1 / Titel
Rüstungsausgaben

Darf’s ein bisschen mehr sein?

Aufrüstungsankündigung von Pistorius: Fünf Prozent vom BIP werden in fünf bis sieben Jahren erreicht
Von Arnold Schölzel
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Schmeißt lieber mit Bomben als mit Bonbonnieren: Verteidigungsminister Boris Pistorius

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bestätigte am Dienstag, dass die Bundesregierung Militärausgaben in Höhe von fünf Prozent der Wirtschaftsleistung anstrebt. Vor Beginn einer Sitzung des EU-Rates für Auswärtige Angelegenheiten, an der die EU-Verteidigungsminister teilnahmen, betonte er auf eine entsprechende Frage vor Journalisten: »Es geht nicht darum, die fünf Prozent in einem Jahr zu erreichen.« Der Anteil der Rüstungsausgaben solle aber in einem Zeitraum von fünf bis sieben Jahren um 0,2 Prozentpunkte pro Jahr steigen. Von den 2,1 Prozent im vergangenen Jahr gerechnet könnte dann bis 2032 eine Quote von 3,5 Prozent erreicht werden. Das würde der von NATO-Generalsekretär Mark Rutte vorgeschlagenen Zielvorgabe entsprechen. Hinzu kommen müssten nach dessen Vorstellung militärbezogene Ausgaben in Höhe von 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – etwa für militärisch nutzbare Infrastruktur wie Bahnstrecken, panzertaugliche Brücken und erweiterte Häfen. In Deutschland könnte das zumindest zum Teil über die im März beschlossene Sonderverschuldung für Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro finanziert werden.

Pistorius erklärte, die Zahlen seien nicht zentral. Es gehe darum, die innerhalb der NATO vereinbarten militärischen Fähigkeiten zu erreichen. Das wichtigste sei, endlich anzufangen. Gemeint war offenbar die Hochrüstung ohne finanzielle Grenzen, die der Bundestag parallel zum Infrastrukturfonds beschlossen hatte.

In der vergangenen Woche hatte sich Außenminister Johann Wadephul (CDU) bei einem NATO-Außenministertreffen in der Türkei hinter die Forderung von US-Präsident Donald Trump nach Erhöhung der Militärausgaben auf jeweils fünf Prozent des BIP gestellt. Rutte hatte sich nach Abschluss des Treffens gefreut, Deutschland übernehme »hier wirklich die Führung«. SPD-Politiker hatten zurückhaltend reagiert, Außenpolitiker Ralf Stegner sagte dem Handelsblatt: »Solche milliardenschweren Aufrüstungsdimensionen, wie das Donald Trump einfordert, sind allerdings jenseits von Gut und Böse.« Die neue NATO-Zielvorgabe soll im Juni bei einem Gipfel in Den Haag beschlossen werden. Nach Angaben von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) würde jeder Prozentpunkt mehr für Deutschland derzeit ungefähr ein Plus von 45 Milliarden Euro bedeuten. Bei fünf Prozent wären das 225 Milliarden Euro pro Jahr.

Bei der Sitzung in Brüssel kündigte Pistorius außerdem weitere Lieferungen von Waffen und Munition für die Ukraine an. Ein weiterer Tagesordnungspunkt betraf das sogenannte Whitepaper 2030 und den Plan zur »Wiederbewaffnung Europas«. Pistorius schlug laut einer Mitteilung seines Ministeriums vor, dass einzelne Länder als sogenannte Lead Nation Verantwortung für den Ausbau bestimmter Militärbereiche übernehmen. Deutschland könne bei der Luftverteidigung eine Führungsrolle übernehmen, aber auch bei Land- und bei maritimen Systemen. Der Kampfpanzer »Leopard 2 A8« oder die U-Boote der Klasse 212 CD stehen exemplarisch für die Leistungsfähigkeit der deutschen Rüstungsindustrie. Andere Länder seien eingeladen, sich zu beteiligen. Pistorius nahm zudem an einer Sitzung des Lenkungsausschusses der EU-Verteidigungsagentur EDA teil, die Rüstungskooperationen koordinieren soll. An der EDA-Spitze steht seit dem 16. Mai erstmals ein Militär: der deutsche General André Denk.

Deutschland hat auf EU-Ebene in Kriegssachen die Führung übernommen – nicht in Raten.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. (21. Mai 2025 um 14:22 Uhr)
    Danke! Sehr witzig, Herr Schölzel, wie nahe es Ihnen liegt, den Vielen die Welt zu erklären! Bitte wagen Sie einen zweiten Versuch! Ich möchte nicht länger der Letzte sein, der die Bedeutung von Brzezinskis Machtstreben klarstellte. Um endlich (!) für die Menschen in der EU zu enttarnen: Hier läuft seit 35 Jahren die Konfrontation. – Wer von uns findet solche Spiele gut?
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (21. Mai 2025 um 15:31 Uhr)
      Lieber Herr Torsten Andreas! Warum verfassen Sie nicht allgemein verständliche Beiträge? Wenn Ihnen das zu vulgär ist, sollten Sie diese Texte dem Tagebuch anvertrauen.
  • Leserbrief von Wilfried Schubert aus Güstrow (21. Mai 2025 um 13:47 Uhr)
    Wer bedroht Wen? »Die deutschen Minister Wadepuh und Pistorius wollen mehr Geld in die Rüstung stecken.« Mehr bedeutet bei den Herren 225 Euro jährlich, fast die Hälfte des Bundeshaushaltes 2025, obwohl ihre Parteien vorgeben, christlich und sozial zu sein. Nach den USA und China wäre das der dritte Platz weltweit. Russlands Militärausgaben betragen aktuell 130 Milliarden Euro. Insgesamt haben Europas Armeen weit mehr Ausrüstung als die russische Armee. Fast täglich erfahre ich von den Medien, Russland bedroht die Baltischen Staaten und Europa. Aber Fakt ist doch, deutsche Soldaten stehen wieder an der russischen Grenze, und die Ukraine soll in die NATO. Minister Pistorius strebt danach, dass Deutschland spätestens 2029 kriegstüchtig ist. Kriegstüchtig, der Begriff stammt aus Nazideutschland. Baut man sich eine Bedrohungslüge auf und bedroht eigentlich Russland? Statt 225 Milliarden Euro für die Rüstung auszugeben, sollte weit mehr gegen die wachsende Armut, von der 15,5 Prozent der Bevölkerung betroffen ist, getan werden. Ganz zu schweigen von maroden Brücken, Eisenbahnstrecken, Schulen, Infrastruktur und mehr. Die herrschende Politik muss endlich umdenken. Nur mit, nicht gegen Russland, gibt es Frieden in Europa.
    • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (21. Mai 2025 um 15:04 Uhr)
      »Die herrschende Politik muss endlich umdenken. Nur mit, nicht gegen Russland, gibt es Frieden in Europa.« Die »herrschende Politik« wird zwar von den jeweils amtierenden PolitikerInnen exekutiert, bestimmt wird sie jedoch faktisch von den Herrschenden hinter den Kulissen. Und dass es keinen dauerhaften Frieden in Europa ohne – und erst recht nicht gegen – sondern nur mit Russland geben kann, wusste und beachtete bereits Bismarck während seiner gesamten Amtszeit als Reichskanzler (1871–1890). Doch bereits zwei Jahre nach seiner Thronbesteigung (1888) hat ihn der bellizistische Flottenkaiser Wilhelm II. entlassen. Dem deutschen Imperialismus war der Weg in den Ersten Weltkrieg gebahnt. Die Deutsche Bank, Rheinmetall, Krupp & Co, sie alle waren auch schon damals die Hauptkriegstreiber des Kapitals und ebenso kriegsbegeistert wie heute wieder. Und ausführende Handlanger sowie dumme Mitläufer fanden sich damals bereits ebenso reichlich wie auch heute wieder. – »When will they ever learn?«

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