Vorauseilender Gehorsam
Von Gudrun Giese
Frauen im westfälischen Lippstadt haben es seit kurzem noch schwerer als bisher, in einem der beiden Krankenhäuser eine Schwangerschaft abzubrechen. Seit der Fusion des Evangelischen Krankenhauses mit dem katholischen Dreifaltigkeitshospital Ende 2024 zum Klinikum Lippstadt sind Abbrüche dort generell untersagt.
Nur bei unmittelbarer Lebensgefahr für die schwangere Frau kann eine Ausnahme gemacht werden, teilte die Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) am Dienstag mit. Auch bis zur Fusion der Krankenhäuser ist in Lippstadt nicht auf der Grundlage des Paragraphen 218 Strafgesetzbuch gehandelt worden, wonach ein Abbruch in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft nach entsprechender Beratung möglich ist. Ein einziger Arzt im Evangelischen Krankenhaus habe laut ÄKWL bisher jährlich rund 15 Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt, wenn die ungeborenen Kinder schwere Erkrankungen oder Fehlbildungen aufwiesen. Der neuen Krankenhausleitung, die aus einer Doppelspitze der früheren Geschäftsführer besteht, geht das aber zu weit.
Als »unethisch und nicht akzeptabel« bezeichnete Johannes Albert Gehle, Präsident der ÄKWL, die neue Vorgabe, »erst dann zu handeln, wenn das Leben der Mutter akut gefährdet ist«. Für die Ärztekammer stehe fest, dass die Entscheidung für oder gegen einen Abbruch für jede betroffene Frau ebenso eine Gewissensentscheidung sei wie für die Ärzte, die weder gezwungen werden dürften, eine Schwangerschaft abzubrechen noch einen Abbruch zu unterlassen, wenn sie einer schwangeren Frau in einer Notlage helfen wollen. Wichtig sei deshalb, allen Frauen in einer entsprechenden Krisensituation den sicheren Zugang zu einem legalen Schwangerschaftsabbruch zu ermöglichen. Auch der vom Abtreibungsverbot betroffene Arzt am Klinikum wehrt sich gegen die neue Vorgabe; der Vorstand der ÄKWL hat sich mit ihm solidarisch erklärt. Präsident Gehle zeigte sich besorgt, dass weitere Klinikfusionen in anderen Regionen ebenfalls zum Verbot von Abbrüchen führen könnten.
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