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Siegen, weinen, bangen

Von Gabriele Damtew
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Der 1. FC Lok Leipzig feiert

Die Fußballsaison 2024/2025 ist Drittligageschichte. Zumindest für zwei Aufsteiger und vier Absteiger. Bei der »Hautevolee«, bestehend aus Arminia Bielefeld und der SG Dynamo Dresden, ging es am letzten Spieltag nur noch um den Meistertitel. Bereits am Wochenende zuvor war der von beiden Parteien so sehnlich erwartete Aufstieg in trockenen Tüchern – und in biernassen Trikotagen gebührend bejubelt worden. Obschon die »Unterklassen« zugeben müssen, dass die folgende sächsische Parade auf den in schwarz-gelb getränkten Elb­terrassen wahrlich Potential für die Liste zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe hatte. War das schön, Ulf Kirsten schluchzen zu sehen. Die Arminen soffen dagegen im Café Europa in Bielefeld (ist ja auch nicht Landeshauptstadt) und leisteten damit ihren bescheidenen, dennoch denkwürdigen interkulturellen Beitrag. Aber nichts da mit Wettbewerbsverzerrung. Ihre letzten Partien bestritten beide Aufsteiger standesgemäß mit Siegen. Was Bielefeld zum Meister machte, aber keinen Einfluss auf die Abstiegszone nahm. Das oblag anderen.

Der Thriller spielte sich zwischen Energie Cottbus und dem 1. FC Saarbrücken ab. Beide punktgleich auf Platz drei und vier, nur durch die Tordifferenz getrennt. Den Dritten erwartete die Aufstiegsrelegation im Fernduell. Vorteil Energie, wie es im Tennis heißt. Live in der Kneipe verfolgt. Chancen ohne Ende gegen Ingolstadt, für das es um nichts mehr ging. Nützte aber nüscht. Cottbus’ Goalgetter Timmy Thiele weinen zu sehen, tat weh. Wohl seine letzte Chance, noch mal gegen seinen Jugendverein Hertha BSC (immer noch in der Zweiten Bundesliga) zu spielen. Aber bitte nicht vergessen: Cottbus ist Aufsteiger aus der Regionalliga, Coach »Pele« Wollitz hat einen guten Job gemacht, und als Trostpreis gibt es obendrein den vierten Platz, der zur DFB-Pokal-Hauptrunde berechtigt. Was soll Hansa Rostock auf Rang fünf sagen!

Saarbrücken hatte vergangene Saison knapp den Aufstieg verpasst, obwohl oder weil Pokalheld. Jetzt stehen die Saarländer in der Reli gegen Eintracht Braunschweig aus der Zweiten Bundesliga. Gibt leichtere Gegner. Tendenziell gewinnen allerdings die Drittligisten. Muss an der euphorischen Grundhaltung liegen. In der Relegation zwischen Erster und Zweiter Bundesliga verlieren meist die Underdogs, dann ist eher der bessere Kader entscheidend.

Zum Schluss geht es um die traditionellen Fußballsachsen aus Leipzig. Bier statt Brause. Für den Meister der Regionalliga Nordost, Lok Leipzig, ist nach der Saison vor der Relegation. Gegen den TSV Havelse. Die himmelschreiendste Ungerechtigkeit im Fußball ever. Jeder Meister muss aufsteigen dürfen! Nur nicht in der vierten deutschen Spielklasse. In diesem Jahr erwischt es die Meister der Ligen Nordost und Nord. Ihr ehrenwerter und hart verdienter Erfolg über die ganze Saison wird durch zwei Relegationsspiele gegen »Unbekannt« diskreditiert. Fair ist anders. Danke, DFB. Tage, an denen man Männern beim Weinen zusehen muss. Aus Enttäuschung, Selbstmitleid oder, wenn es gut ausgeht: aus Freude und innerer Übermannung.

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