Bedrohtes Leben im Dunkeln
Von Wolfgang Pomrehn
Auch nach dem Waffenstillstand im Handelskrieg der USA mit China bleibt die Versorgung mit seltenen Erden und anderen kritischen Rohstoffen prekär. Zwar haben die beiden Kontrahenten verabredet, für 90 Tage die astronomisch hohen Zölle wieder zu reduzieren, die erst die US-Regierung für chinesische Importe eingeführt hatte, woraufhin Beijing mit gleicher Münze zurückzahlte. An den chinesischen Ausfuhrkontrollen für seltene Erden und andere kritische Mineralien hat das jedoch nichts geändert. Beijing kann mit den neuen Regelungen jederzeit zielgenau die Ausfuhren drosseln oder gar den Hahn ganz zudrehen und damit nicht nur einzelne Länder, sondern auch Konzerne wie etwa Tesla ins Visier nehmen.
Entsprechend hat ein regelrechtes Wettrennen nach neuen Lagerstätten begonnen (siehe jW vom 13.5.25). Einer der Orte, auf die sich begehrliche Blicke richten, ist die Tiefsee. An ihrem Boden versprechen in mehreren tausend Metern Tiefe unter anderem die Ablagerungen an sogenannten schwarzen Rauchern reiche Beute. Bei diesen handelt es sich um unterseeische Thermalquellen. In dem bis zu mehr als 400 Grad Celsius heißen Wasser, das aus ihnen strömt, sind diverse Mineralstoffe gelöst. Die hohen Temperaturen in den Quellen sind aufgrund des enormen Wasserdrucks am Meeresboden möglich. Unter dem Atmosphärendruck an der Oberfläche würde das Wasser schon bei 100 Grad Celsius sieden.
Beim Kontakt mit dem nur rund zwei Grad Celsius warmen Meerwasser fallen die Mineralstoffe als feine Partikel aus und lassen das ausströmende Wasser wie eine Rauchwolke aussehen. Die kleinen Teilchen setzen sich rund um die Quellen ab und bilden Kegel oder auch regelrechte Schornsteine, die 20 bis 25 Meter hoch werden. Hauptbestandteil der Ablagerungen sind eisenreiche Sulfide, heißt es beim Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Daneben finden sich vor allem Kupfer und Zink sowie Spuren von Gold, Silber, Germanium, Indium, Tellur und Wismut.
Biologische Vielfalt
Auf den ersten Blick erscheinen die Bedingungen an diesen Quellen lebensfeindlich: kein Sonnenlicht und extrem heißes Wasser voller giftiger Metalle. Und doch haben sich an ihnen einzigartige Lebensgemeinschaften gebildet: Dichte Populationen von Schnecken, Muscheln, Krebsen, Garnelen und Röhrenwürmern bevölkern die schwarzen Raucher.
Am Beginn der Nahrungsketten dieser Ökosysteme stehen Teppiche von urzeitlichen Mikroorganismen, die ihre Energie aus der Umwandlung von Schwefel oder Methan beziehen. Am ostpazifischen Rücken haben kanadische Forscher zu Beginn des Jahrtausends sogar ein Schwefelbakterium gefunden, das in der Lage ist, Photosynthese in der Dunkelheit zu betreiben. Statt des Sonnenlichts nutzt es die Energie der Infrarotstrahlung, die die heißen Partikel im aufsteigenden Wasser aussenden.
Im Laufe der Jahrmillionen hat sich um diese heißen Quellen eine enorme biologische Vielfalt entwickelt, da viele Arten sehr speziell angepasst sind und daher meist nur lokal vorkommen. Ganz so wie sich auf isolierten Inseln in der Abgeschiedenheit spezielle Arten herausbilden, ist auch für die Tiefseeökosysteme der schwarzen Raucher der Austausch untereinander kaum möglich.
Um so alarmierender sind die Ambitionen diverser Industriestaaten. Denn wenn die Ablagerungen rund um einen schwarzen Raucher abgebaggert werden, dann geht auch dessen Ökosystem unwiederbringlich verloren. Auch der Abbau von Manganknollen, konzentrierten Ablagerungen von Eisen, Mangan, Kupfer, Kobalt, Nickel, seltenen Erden und anderen Metallen am flachen Meeresboden in einigen Tiefseeregionen, könnte schwerwiegende Konsequenzen für die noch kaum erforschten Ökosysteme der Tiefsee haben. Ältere Versuche zeigen, dass die Bodenfauna etliche Jahrzehnte benötigt, um sich von einem über sie hinweggezogenen Kettenbagger zu erholen.
Hierzulande wie auch in anderen Industriestaaten bereitet man sich schon seit geraumer Zeit auf den Tiefseebergbau vor, den steigende Rohstoffpreise zunehmend attraktiver erscheinen lassen. Zuletzt ist US-Präsident Donald Trump vorgeprescht, der Ende April per Dekret den Weg für einen kanadischen Bergbaukonzern ebnete. Eigentlich hatten sich die Staaten darauf geeinigt, zunächst im Rahmen der International Seabed Authority (ISA) in Jamaika verbindliche Regeln für den Abbau von Manganknollen und schwarzen Rauchern zu entwickeln.
Lohnt es sich überhaupt?
Erst im Februar hatten 32 ISA-Mitglieder ein Moratorium gefordert. In einem Appell hatten sich vor zwei Jahren knapp tausend Meereswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus aller Welt dafür eingesetzt, mit dem Tiefseebergbau zu warten, bis dessen Folgen für Ökosysteme, Fischerei und auch das Klimasystem besser abgeschätzt werden können. Unter anderem wiesen sie darauf hin, dass vollkommen unklar ist, ob die großflächige Störung der Sedimente am Meeresboden nicht womöglich auch die Fähigkeit der Ozeane beeinträchtigt, der Atmosphäre das Klimagas Kohlenstoffdioxid zu entziehen. Nach Trumps einsamer Entscheidung kann vorerst nur gehofft werden, dass sich andere Regierungen nicht zur Teilnahme am Wettrennen verleiten lassen. Doch das ist ungewiss. So bereitet sich zum Beispiel Norwegen auf den Tiefseebergbau vor, und auch China hat sich zumindest nicht der Forderung nach einem Moratorium angeschlossen.
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