Spitz auf Knopf
Von Sören Bär
Der Aufstiegskampf ostdeutscher Traditionsfußballklubs ist in dieser Saison an Spannung kaum zu überbieten. Am vergangenen Sonnabend verlor der 1. FC Magdeburg, seines Zeichens Europapokalsieger 1974, das Verfolgerduell in der zweite Bundesliga beim SC Paderborn nach anfänglicher Führung mit 1:2 und musste sämtliche Träume von der Promotion in die Bundesliga begraben. Den dritten Platz und die damit verbundene günstige Ausgangsposition im Rennen um die Aufnahme in die Beletage des deutschen Fußballs hatten die oft mit begeisterndem Fußball aufwartenden Elbestädter bereits in der Vorwoche durch eine eklatante 0:5-Heimniederlage gegen den Abstiegskandidaten Preußen Münster verspielt.
Mehr Stamina und Fortune als die Magdeburger hatte eine Liga darunter die SG Dynamo Dresden. Obwohl die Schwarz-Gelben am 36. Spieltag in der fünften Minute der Nachspielzeit bei Arminia Bielefeld noch den 1:1-Ausgleich hinnehmen mussten und am letzten Sonnabend obendrein 0:1 bei Waldhof Mannheim unterlagen, hatte der Fußballgott ein Einsehen: Das 4:2 von Alemannia Aachen gegen den zuvor auf dem dritten Rang lauernden 1. FC Saarbrücken bescherte den Elbflorenzern schon vor dem letzten Durchgang die zweite Spielklasse. In Dresden ist Fußball eine Religion: Am Sonntag nachmittag feierten am Terrassenufer mehr als 20.000 Anhänger ihre Helden, die sich auf einem Party-Truck den Weg durch die Massen bahnten. Die nach 2004, 2011, 2016 und 2021 schon fünfte Qualifikation für Liga zwei kann nach dem Dynamo-Selbstverständnis nur eine Zwischenstation auf dem Weg in die Premium-Division und in den Europapokal darstellen …
Hinter Mitaufsteiger Bielefeld und Dynamo steht es Spitz auf Knopf im Wettbewerb um den für die Relegationsspiele berechtigenden dritten Platz. Aufsteiger FC Energie Cottbus setzte seinen Lauf zunächst saisonübergreifend fort und führte die Tabelle sogar an. Doch im Vorfeld des Ostkrachers beim F. C. Hansa Rostock am vergangenen Sonnabend schwächelten die Lausitzer und holten seit Anfang April aus sechs Matches lediglich vier Punkte, wodurch sie bis auf den fünften Platz abrutschten. Scheinbar ging Cottbus immer mehr die Energie aus, je näher das Saisonende rückte.
Diametral verlief hingegen die Spielzeit für Absteiger Rostock. Unter Trainer Bernd Hollerbach zierten die Hanseaten das Tabellenende. Seit allerdings Daniel Brinkmann als Coach die Geschicke der Kogge leitet, wirkt Hansa wie ausgewechselt. Sukzessive kämpften sich die Ostseestädter nach vorn und hatten vor dem Duell gegen Energie Platz vier inne. So wurden ihnen auch wegen des Heimvorteils die besseren Chancen zugebilligt. Vor dem wegweisenden Spiel wurde zudem bekannt, dass Energie-Spieler Maximilian Krauß in der neuen Saison für Hansa die Schuhe schnüren wird. Energie-Trainer Claus-Dieter Wollitz suspendierte Krauß, den er alternierend als »respektlos« und »faulen Apfel« titulierte. Wollitz zog aber wohl Kreativität aus dieser Auseinandersetzung, denn er setzte erstmals auf ein 4-4-2-System. Durch zwei frühe Tore von Erik Engelhardt (8.) und Goalgetter Timmy Thiele (19.) schockten die Lausitzer den Gastgeber, und nach dem Seitenwechsel ließ Lucas Copado (50.) den dritten Treffer folgen. Alexander Rossipal gelang für Hansa nur der Treffer zum 1:3, zumal Kapitän Franz Pfanne mit Gelb-Rot den Rasen verlassen musste. Damit katapultierte sich Energie auf Platz drei. Im Showdown am kommenden Sonnabend ab 13:30 Uhr kann Cottbus im eigenen Stadion der Freundschaft gegen den FC Ingolstadt den Relegationsplatz aus eigener Kraft verteidigen. Hansa reist hingegen mit 6.800 Fans im Rücken zum Auswärtsmatch bei Hannover 96 II, muss aber bei zwei Punkten Rückstand auf Ausrutscher von Energie und Saarbrücken hoffen.
In der Regionalliga Nordost verfügte Tabellenprimus 1. FC Lokomotive Leipzig nach seinem 1:0-Sieg beim Verfolger Hallescher FC zwischenzeitlich über zehn Punkte Vorsprung auf die Saalestädter. Eine unglückliche 1:2-Pleite bei Hertha Zehlendorf, als Lok auf acht verletzte und gesperrte Akteure verzichten musste, ein 0:0 gegen den starken Greifswalder FC und ein 1:1 beim Chemnitzer FC ließen den Vorsprung jedoch auf drei Zähler zusammenschmelzen. Insbesondere im sächsischen Derby in Chemnitz hatten sich die Messestädter den Sieg verdient, weil ihnen ein klares Tor und ein ebenso deutlicher Handstrafstoß verwehrt wurden. Danach verteidigte der FC Karl-Marx-Stadt in doppelter Unterzahl das Remis mit Mann und Maus. So war der 1. FC Lok am vergangenen Sonnabend im Heimspiel gegen den bereits als Absteiger feststehenden VFC Plauen zum Siegen verurteilt, um den HFC auf Distanz zu halten. Die stimmungsvolle Kulisse von 7.331 Fans (darunter lediglich ca. 40 aus Plauen) im Bruno-Plache-Stadion unterstrich die derzeitige Euphorie um den Europapokalfinalisten von 1987.
Der FCL gewann das wichtige Duell durch ein Eigentor von Eric Träger (61.) und einen Treffer von Alexander Siebeck (67.) überzeugend mit 2:0. Einzig Plauens großartiger Keeper Jakob Pieles verhinderte ein Schützenfest. Halle verfehlte einen Tag danach den erforderlichen Kantersieg und landete »nur« einen 4:1-Erfolg gegen Zehlendorf. So behauptete Lok neben den drei Zählern Vorsprung auch das um sieben Treffer bessere Torverhältnis. Nach menschlichem Ermessen sollte das den Meistertitel garantieren. Während der 1. FC Lok am Sonntag ab 13 Uhr im Steigerwald-Stadion auf den FC Rot-Weiß Erfurt trifft, tritt der HFC gleichzeitig in Greifswald an. In dieser Saison hat der DFB vor den Aufstieg in Liga drei wieder einmal die Aufstiegsspiele gesetzt. Die Bitterkeit dieser unfairen Regelung musste der 1. FC Lok 2020 auskosten, als er nach einem 2:2 zu Hause und einem 1:1 im Rückspiel aufgrund der damals noch geltenden Auswärtstorregel am SC Verl scheiterte. Diesmal trifft der Nordost-Meister auf den TSV Havelse, Titelträger der Regionalliga Nord.
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