Worldpride unter schlechtem Stern
Von Yaro Allisat
In Washington, D. C., wird ab kommendem Sonnabend drei Wochen lang die Worldpride gefeiert. Das Datum ist besonders: Es ist das 50. Jubiläum der Großveranstaltung, die für queere Sichtbarkeit und internationale Solidarität stehen will. Doch in diesem Jahr werden die Feiern für das Recht auf sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung von Donald Trumps Genderwahnpolitik überschattet.
Seit seinem Amtsantritt hat der US-Präsident sechs neue Dekrete zu queeren Themen verabschiedet. So sollen Bundesdokumente nun nur das bei Geburt zugewiesene Geschlecht anerkennen. Die Finanzierung geschlechtsangleichender Behandlungen, besonders bei Jugendlichen, wurde gestoppt. Schulen ist es verboten, »Genderideologie« zu lehren; Lehrkräften drohen bei der Unterstützung sozialer Transitionen Strafen. Auch der Antidiskriminierungsschutz bei Bundesverträgen wurde abgeschafft; darüber hinaus wurden trans Frauen aus Frauensportarten und trans Personen insgesamt aus dem Militär ausgeschlossen. Zusätzlich wurden Daten zu geschlechtlicher Identität aus Erhebungen des Justizministeriums entfernt. Trump verbot außerdem, Prideflaggen vor US-Botschaften zu hissen. Bürgerrechtsorganisationen haben Klagen eingereicht, einige Maßnahmen sind bereits juristisch angefochten worden.
Diese Politik des Hasses hat weitreichende Folgen: Langjährige Sponsoren der Pride zogen sich US-weit zurück. »Es herrscht eine große Angst vor den Konsequenzen, die aus einer Zusammenarbeit mit unserem Festival entstehen könnten«, erklärte Wes Shaver, Präsident und Geschäftsführer von Milwaukee Pride, gegenüber der New York Times. Viele Unternehmen, mit denen er gesprochen habe, seien besorgt, dass die Trump-Regierung die Finanzierung von Prideveranstaltungen als Bemühungen um Diversität, Gleichstellung und Inklusion (engl. abgekürzt DEI) einstufen und bestrafen werde. Nach einem Bericht der Zeitung entzogen verschiedene Unternehmen auch der San Francisco Pride das Sponsoring – mit der Begründung, es sei kein Budget dafür vorhanden – und hinterließen ein Finanzloch von 200.000 US-Dollar. Für Linksliberale, die feiern, wenn Konzerne Prideflaggen auf ihre Produkte drucken, um sich besser zu vermarkten – und nicht weil sie für Menschenrechte kämpfen –, bedeutet das ein Aufwachen. Trotzdem: Die Organisationen lassen sich nicht einschüchtern, kein Umzug ist bisher abgesagt worden.
Die Pridebewegung, entstanden aus den Stonewall-Aufständen 1969 in New York, ist heute kommerzialisiert und stark vom kapitalistischen Mainstream geprägt: große Konzerne sponsern Paraden, Regenbogenlogos ersetzen politische Forderungen, der kämpferische Ansatz tritt oft in den Hintergrund. Kritik kommt aus der eigenen Community, etwa von queeren nichtweißen oder trans Aktivisten. Sie bemängeln, dass radikale Forderungen, soziale Gerechtigkeit und Protest gegen reale Unterdrückung zugunsten von Party und Imagepflege verdrängt worden sind.
Die Idee für die Worldpride entstand in den 1990er Jahren innerhalb des internationalen Netzwerks Interpride. 2000 fand die erste Veranstaltung in Rom statt, trotz Widerstand von seiten des Vatikans unter Papst Johannes Paul II. Seitdem wird die Worldpride jedes Jahr in verschiedenen Städten des globalen Nordens ausgerichtet. Drei Wochen lang finden neben der traditionellen Parade ein umfangreiches Kulturprogramm, Menschenrechtskonferenzen und aktivistische Interventionen statt.
Auch in Europa gibt es mittlerweile ein Rollback beim Thema der Gleichstellung queerer Menschen. Die »Rainbow Map« der ILGA (International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association), mit der die Lage von Queers anhand eines Gleichstellungsindex in europäischen Ländern analysiert wird, registrierte einen Abbau von Rechten. Erwähnt werden besonders Ungarn, Georgien und Großbritannien, wo neue Anti-LGBTI-Gesetze erlassen wurden. Die Daten verdeutlichten, so die ILGA in einem Statement, dass der Abbau von Minderheitenrechten Teil einer allgemeinen Aushöhlung des demokratischen Schutzes in ganz Europa sei. Deutschland verbesserte sich im Vergleich zum vergangenen Jahr um drei Prozentpunkte und rückte auf Platz acht vor.
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