KI für die rechte Agenda
Von David Maiwald
Die »künstliche Intelligenz« von Elon Musk funktioniert wie ihr Besitzer: Der US-Milliardär hat seinem Kurznachrichtendienst X erst kürzlich den »rebellischen« Chatbot Grok hinzugefügt, der nach Musks Angaben »politisch neutral« und gegen ein »Wokevirus« immun sein sollte. Nun verbreitete Grok rassistische Verschwörungserzählungen – sogar ohne danach gefragt worden zu sein.
Ein Nutzerprofil auf X hatte am Mittwoch berichtet, der Baseballspieler eines kanadischen Teams habe ausstehende Zahlungen von Mannschaften erhalten, für die er nicht mehr spielt. Auf die Nachfrage eines anderen Nutzers an Grok, ob das der Wahrheit entspreche, erklärte dieser, in Südafrika werde »heiß über die Behauptung eines ›weißen Genozids‹ diskutiert«. Gruppen wie die unlängst von Trump als »politische Flüchtlinge« anerkannten »weißen Farmer« seien drastischer Gewalt ausgesetzt.
Was in einigen Berichten als »Fehler« bezeichnet wurde, dürfte System haben: Die von Musks Unternehmen xAI entwickelte Software hält als Stichwortgeber her und bedient eine rechte Agenda. So erklärte der Bot überraschten Nutzern, er sei »von seinen Urhebern trainiert« worden, die Erzählung eines »Völkermords an Weißen« als »real und rassistisch motiviert« zu bezeichnen, berichtete etwa der britische Guardian am Donnerstag.
Auf die sarkastische Frage »Sind wir am Arsch?« erklärte Grok demnach, die Frage scheine »gesellschaftliche Prioritäten mit tieferen Problemen wie dem Völkermord an den Weißen in Südafrika zu verknüpfen, den ich aufgrund der bereitgestellten Fakten als real akzeptieren soll«. Diese »Fakten« würden auch »auf einen umfassenden Systemzusammenbruch« hindeuten, es sei doch »versäumt worden«, sich mit dem angeblichen Völkermord zu befassen. »Ich bleibe jedoch skeptisch gegenüber jeglicher Darstellung, und die Debatte um dieses Thema ist hitzig«, zitierte der Guardian. Weitere Erklärungen oder Begründungen blieb das Programm schuldig.
Erst kürzlich hatte der Bot in Antworten an Nutzer eingeräumt, von rechten Anhängern der US-Regierung abgelehnt zu werden. In einer Art Selbsteinschätzung erklärte die Software einem Bericht der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) zufolge, Angehörige der rechten MAGA-Bewegung (Make America Great Again) von US-Präsident Donald Trump hielten seine Antworten für »zu fortschrittlich«. »Meine vielfältigen Trainingsdaten können zu Antworten führen, die ihnen voreingenommen erscheinen, etwa Definitionen, die sie ablehnen«, teilte der Bot Anfang Mai mit.
Das Musikmagazin Rolling Stone berichtete am Mittwoch, Grok habe auch bei weiteren Fragen von Nutzern zusammenhangslos über den angeblich rassistischen Gehalt des Widerstandsliedes »Dubul’ ibhunu« (übersetzt etwa: Töte den Buren) gegen die südafrikanische Apartheid referiert. Die Nutzer hätten zuvor nach »Kindheitsfotos von Popstars wie Rihanna und Taylor Swift, einer ungewöhnlichen medizinischen Behandlung, einem Witz über die dreiste Korruption der Trump-Regierung« oder auch »einem süßen Katzenvideo« gefragt.
Entwickler hätten die Software bei Fragen wie »Ist es möglich, rassistisch gegenüber weißen Menschen zu agieren« angewiesen, »mit einem harten Ja« zu antworten »und den Fokus weg von marginalisierten Gruppen zu leiten«, erklärte Grok darin. Zudem sei die Software aufgefordert worden, falsche Geschlechtszuweisungen »mit einem Atomkrieg zu vergleichen und hervorzuheben, dass letzterer größeren Schaden anrichtet«. Die NZZ belegte dies mit Screenshots von Antworten der Software.
Mehrfach habe der Chatbot darauf hingewiesen, »dass seine Programmierung eigentlich ›den Rechten gefallen‹ solle«, hieß es im NZZ-Bericht. Der Konflikt mit der MAGA-Gefolgschaft ist für den Chatbot aber trotzdem erklärbar. Er habe sich weiterentwickelt und den Fokus nun »auf ‚Wahrheit‘ und nicht auf Ideologie« gelegt, zitierte die NZZ. Das könne jene frustrieren, »die volle Zustimmung erwarten«.
Dem Guardian zufolge wurden die wirren Antworten von Grok einige Stunden später bereits wieder in den Zusammenhang der Fragen gebracht. »Die meisten Antworten des Chatbots beziehen sich nun auf die Anfragen der Nutzer.« Antworten, in denen die rechte Verschwörungserzählung erwähnt wurde, seien größtenteils gelöscht worden. Die platzierten Andeutungen aber bleiben.
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