In den Abgrund
Von Wolfgang Pomrehn
Die deutschen Treibhausgasemissionen gehen viel zu langsam zurück, sagt – nicht zum ersten Mal – der neueste Bericht des Expertenrats für Klimafragen. Dabei hat das Gremium nur die vollkommen unzulänglichen Ziele des Klimaschutzgesetzes zum Maßstab genommen. Eigentlich müssten die Emissionen noch viel schneller reduziert werden, wenn die globale Erhitzung noch in einem für die Menschheit halbwegs erträglichen Rahmen gehalten werden soll. Doch die Bundesregierungen, weder die neue noch ihre Vorgängerinnen, nehmen nicht einmal die eigenen Gesetze ernst. Immer noch denken sie, das Problem einfach aussitzen zu können, darauf hoffend, dass die Menschen über alle Sorgen um Aufrüstung, Kriegspropaganda, steigende Preisen, bedrohte Arbeitsplätzen, erbärmlichem Zustand von Schulen und Hochschulen sowie miserabler Rente den Klimaschutz nicht mehr so wichtig nehmen.
Meinungsumfragen scheinen ihnen da recht zu geben – vorerst –, doch die Natur lässt sich nicht beeindrucken: Die Klimakrise schreitet unbeirrt voran. Hamburger Meteorologen gehen in einer neuen Studie davon aus, dass Europa ein neuer extremer Hitzesommer bevorsteht. Der letzte ist gerade erst drei Jahre her und hat seinerzeit in Deutschland großflächig Wälder zerstört und in Westeuropa rund 60.000 Menschenleben gekostet. Betroffen sind übrigens meist Kinder, alte Menschen und solche, die im Freien arbeiten müssen, also nicht gerade jene, die sich in klimatisierten Räumen aufhalten oder sich im Alter einen persönlichen Assistenten leisten können, der sich rund um die Uhr um sie kümmert.
Derweil läuft das Geschäft mit den röhrenden Luxuskarossen der deutschen Autokonzerne weiter prächtig, und auch im Energiesektor ist Katastrophales geplant. Die munter zwischen Bundestag, Bundesregierung – unter Angela Merkel war sie einige Jahre Staatssekretärin im Umweltministerium –, Energiekonzernen – zuletzt Vorstandsvorsitzende bei der Eon-Tochter Westenergie –, hin- und herwechselnde neue Wirtschaftsministerin Katherina Reiche möchte gerne neue Gaskraftwerke bauen. Wenn sie das Klimagesetz ernst nehmen würde, könnten diese nicht einmal zehn Jahre laufen. Ihre Auftraggeber sind offensichtlich ganz versessen darauf, sie dennoch zu bauen. Offensichtlich gehen sie davon aus, entweder das Klimagesetz gänzlich zu Fall bringen zu können, oder sich die Stilllegung vom Steuerzahler versüßen zu lassen. Immer nach dem Motto: uns der Profit, dem Plebs der Schaden. Klimaklassenkampf von oben.
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