Mehr Kriege, weniger Geld
Von Jörg Kronauer
Wie soll es weitergehen mit den Blauhelmeinsätzen der Vereinten Nationen? Die Frage stand im Mittelpunkt des diesjährigen »Peacekeeping Ministerials«, einer Konferenz, die am Dienstag und am Mittwoch im Auswärtigen Amt und im Bendlerblock in Berlin stattfand. Mehr als 800 Teilnehmer waren angereist, darunter UN-Generalsekretär António Guterres und Repräsentanten von 130 Staaten; die Bundesrepublik war nicht zuletzt mit Außenminister Johann Wadephul (CDU) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vertreten. Das Konferenzthema hatte Gewicht, und dies nicht nur quantitativ – immerhin verzeichnet die UNO heute elf Peacekeepingeinsätze, an denen mehr als 61.000 uniformierte Kräfte (meist Soldaten, ein geringerer Teil Polizisten) und mehr als 7.000 Zivilisten aus 119 Staaten teilnehmen. Auch qualitativ steht eine Menge auf dem Spiel: Schließlich sind die Blauhelmeinsätze, so unzulänglich sie in vielfacher Hinsicht auch sein mögen, ein Versuch, Konflikte im UN-Rahmen, also international abgestimmt, zu lösen.
Reformbedarf wird beim UN-Peacekeeping seit geraumer Zeit angemeldet, und dafür gibt es auch zahlreiche sachliche Gründe. Die Welt verzeichne heute »die höchste Zahl an Konflikten seit der Gründung der Vereinten Nationen«, stellte Guterres in seiner Rede zur Eröffnung der Konferenz fest; auch die Zahl der Menschen, die vor Krisen und Kriegen fliehen, befinde sich auf Rekordniveau. Zugleich ändert sich die Form der bewaffneten Auseinandersetzungen, mit denen es die UN-Blauhelmtruppen zu tun haben. Eine vom Department of Peace Operations (DPO) der UNO in Auftrag gegebene Studie hielt im Oktober 2024 fest, man habe es mit neuen Formen der Kriegführung zu tun, so etwa mit dem Einsatz von Drohnen und anderen neuen Technologien. Die transnationale organisierte Kriminalität spiele eine wachsende Rolle – und auch die Klimakrise verändere die Rahmenbedingungen, unter denen die Blauhelme operieren. All dies verlange Anpassungsmaßnahmen.
Guterres wies darauf hin, dass sich zu alledem mangelnde politische Unterstützung für die Blauhelmeinsätze und unzulängliche Finanzierung addieren. Laut UN-Angaben sind von den 3,5 Milliarden US-Dollar, die von den UN-Mitgliedstaaten dieses Jahr für die Friedenssicherung gezahlt werden müssen, bislang bloß 1,8 Milliarden US-Dollar bei der UNO eingetroffen; es fehlen etwa noch 1,5 Milliarden US-Dollar aus den USA, 597 Millionen aus China, 72 Millionen aus Russland sowie 42 Millionen aus Saudi-Arabien. Der UN-Generalsekretär teilte in Berlin mit, man werde eventuell rund ein Fünftel des Personals entlassen müssen. Damit wären die Einsätze aber womöglich noch nicht am Ende der Fahnenstange angelangt. Im April wurde bekannt, dass die Vereinigten Staaten, der mit Abstand größte Beitragszahler, ihre Zahlungen für die Blauhelmtruppen unter Präsident Donald Trump einstellen wollen; im jüngsten Haushaltsentwurf sollen die Mittel dafür schon nicht mehr enthalten sein. Noch weisen Kritiker darauf hin, dass es meist billiger ist, UN-Blauhelme zu bezahlen, als mit den Folgen überschwappender Konflikte zu kämpfen zu haben. Trump erstellt seine Kosten-Nutzen-Rechnungen aber bekanntlich meist anders.
Für eine Beibehaltung und eine Reform der Friedenssicherungseinsätze machte sich auf der Konferenz – wohl auch mit Blick auf die Flüchtlingsabwehr – die Bundesregierung stark, und das wie gewohnt mit protzigem Getöse: »Deutschland übernimmt weltweit Verantwortung«, ließ das Verteidigungsministerium nach dem Treffen wissen. Real hingegen ist die deutsche Beteiligung an den Blauhelmtruppen zuletzt stark gesunken: Für die UNIFIL im Libanon stellt die Bundeswehr 261 Soldaten, für die UNMISS im Südsudan 14 und für die MINURSO in der von Marokko besetzten Westsahara vier – das war’s. Die marokkanische Regierung nutzt derweil die US-Bestrebungen, das Peacekeeping zusammenzustreichen, um die ihr lästige MINURSO loszuwerden und ihre koloniale Besetzung der Westsahara zu zementieren. Bisher hat sie damit noch keinen Erfolg; doch wer weiß.
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