»Der Prozess ist sehr undemokratisch«
Interview: Frederic Schnatterer
Auf einer Liste der EU-Kommission stehen 47 Rohstoffprojekte, die sie als »strategisch« einordnet. Sieben davon befinden sich in Spanien. Wie schätzen Sie die Entscheidung vom März ein?
Zunächst handelt es sich um eine schlechte Nachricht. Alleine in der Autonomiegemeinschaft Extremadura, aus der ich komme, wurden drei Projekte ausgewählt: Las Navas, Aguablanca und La Parrilla. Bis heute warten wir darauf, dass uns die Behörden wichtige Informationen zu den Projekten zugänglich machen. Die staatlichen Stellen haben ein großes Interesse an der Realisierung der Projekte. Das wird deutlich, wenn hochrangige Politiker wie der Regierungschef von Extremadura sie über den grünen Klee loben.
Mehr als 200 Organisationen haben jetzt einen offenen Brief an das EU-Parlament geschrieben, darunter auch Ecologistas en Acción. Wozu der Brief?
Wir fordern Transparenz. Die Auswahl der Projekte durch die EU-Kommission ist von Geheimniskrämerei geprägt. Bereits vor dem Brief hatten wir bei den zuständigen EU-Institutionen um Informationen gebeten: zum Auswahlverfahren, darüber, wie sich die Unternehmen beworben haben, wie es um die Nachhaltigkeit der Projekte steht. Wir wollen die Einstufung der Projekte als »strategisch« anfechten.
Worauf beziehen Sie sich beim Vorwurf der Intransparenz?
Wir wollen wissen, auf welcher Basis die EU-Kommission ihre Entscheidung getroffen hat. Was genau haben die Unternehmen bei der Bewerbung bezüglich ihrer Pläne gesagt? Worauf basiert die Einschätzung der Agenturen, die den Projekten ein Nachhaltigkeitssiegel verpasst haben? Zu den drei Projekten in Extremadura haben wir schon einiges an Informationen gesammelt. Wir wollen wissen, ob sich das mit dem deckt, was die Unternehmen in ihrer Bewerbung bei der EU-Kommission eingereicht haben.
Hinzu kommt: Die Stellen, die den Projekten ein Nachhaltigkeitszertifikat ausgestellt haben, ersetzen die Rechtsvorschriften der Mitgliedsländer. Wir haben in Spanien eine eigene Umweltgesetzgebung, eine zur Umweltverträglichkeit und so weiter. Es sind private Agenturen, die von den Unternehmen beauftragt wurden, weshalb es wahrscheinlich ist, dass ihr Urteil im Sinne des Auftraggebers ist. Das verstößt gegen die Gesetzgebung der EU-Mitgliedstaaten.
Welche Möglichkeiten bleiben der Bevölkerung noch für die Einflussnahme?
Sie hat quasi kein Mitspracherecht. Das zeigt sich zum Beispiel beim Lithiumprojekt Las Navas in Canaveral. Seit zweieinhalb Jahren fordern Gruppen aus der Zivilgesellschaft Informationen zu dem Projekt, bisher ohne Erfolg. Während uns jegliche Information vorenthalten wird, wird das Unternehmen mit Millionensummen aus öffentlichen Mitteln subventioniert. Die jetzt von der EU-Kommission beschlossene Auflistung von Las Navas kommt da einem Ritterschlag gleich.
Der Prozess ist sehr undemokratisch und wird behandelt wie ein Staatsgeheimnis – von seiten der Regionalregierung, des spanischen Staates und der EU. Die Bevölkerung wird bevormundet, und ihr werden Entscheidungen aufgezwungen. Das ist autokratisches Verhalten.
Die EU und die spanische Regierung betonen, die Bergbauprojekte seien notwendig, um »Europa« für die Energiewende zu rüsten und unabhängiger von China zu werden.
Die Art, wie die Energiewende angegangen wird, ist zutiefst ungerecht. Das zeigt sich daran, dass es meist die ärmsten Regionen sind, in denen die Minen liegen, während die von Reicheren bewohnten verschont bleiben. Außerdem ist der Klimawandel nicht das einzige Problem. Es gibt eine ganze Reihe von planetarischen Belastungsgrenzen, die bereits überschritten sind; angerichtet durch Schadstoffe und Plastik, die Stickstoffkreisläufe, Biosphäre, Süßwasserversorgung oder Entwaldung. Für mehrere dieser Phänomene ist der exzessive Bergbau, wie er heute praktiziert wird, extrem problematisch.
Ökosysteme sind komplex. Sie verschwinden, wenn das Gleichgewicht aus den Fugen gerät. Wenn in einem schützenswerten Gebiet eine Mine eröffnet wird, wird dort das gesamte Ökosystem zerstört. Doch den Entscheidungsträgern, sei es in Brüssel oder Madrid, geht es vor allem um Wirtschaftsinteressen.
Julio César Pintos ist Koordinator der Umweltorganisation Ecologistas en Acción für die spanische Autonomiegemeinschaft Extremadura
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