Aus Leserbriefen an die Redaktion

»Kessel voller Träume«
Zu jW vom 10./11.5.: »Alchemisten des Tages: Teilchenphysiker«
Die Menschheit hat Smartphones, Reality-TV und Hyperschallraketen. Doch der Traum vom Gold bleibt. Und so ersetzt man heute Stößel und Zauberspruch durch Laser, Quantenalgorithmen und einen 27 Kilometer langen Tunnel unter Genf. Physiker – die Alchemisten in Cardigans – schleudern Bleiatome aufeinander, in der Hoffnung, dass sich eines schämt, drei Protonen verliert und plötzlich »Gold« auf dem Etikett trägt. »Es hat funktioniert!« jubeln sie. »Wir haben Gold geschaffen!« – Und was macht es? Es verpufft. Nach einer Billionstelsekunde. Zu kurz, um es zu wiegen. Zu lang, um es zu ignorieren. Ein goldener Flirt mit dem Nichts. Die Alchemisten hatten wenigstens noch einen kleinen Kessel voller Träume. Die Physiker haben Supercomputer und Generatoren sowie Fußnoten. Und was ist gewonnen? Nichts für den Hals, nichts fürs Konto – nur ein Beweis: Selbst mit milliardenschwerer Technik kann man denselben Unsinn treiben wie im 17. Jahrhundert. Nur mit mehr Energieverbrauch.
Istvan Hidy, Stuttgart
Produktivkräfte vs. Trump
Zu jW vom 9.5.: »Der Neoliberalismus wird abgewickelt«
Lucas Zeise begründet, dass die Zollpolitik von Donald Trump zu einer Vertiefung der Weltwirtschaftskrise führen wird, was sicherlich zutrifft. Zeise argumentiert mit Zöllen, Finanzen, ökonomischen Konzepten und Theorien, weil er ja Finanzjournalist ist. Aber man kann diese Prozesse auch von der Produktion her denken, nicht nur von der abgeleiteten Finanzwelt her. Ökonomische Konzepte und Theorien widerspiegeln ja reale, objektive Prozesse der kapitalistischen Produktionsweise. Donald Trump agiert in der Art der Maschinenstürmer gegen reale Prozesse. Seine Welt ist eine Welt als Wille und Vorstellung. Sein Versuch, mittels Zöllen die Deindustrialisierung der USA rückgängig zu machen, ist ein regionaler Aufstand der Produktionsverhältnisse gegen die globale Entwicklung der Produktivkräfte. Sein theatralischer Auftritt mit ungeheuren Ankündigungen von Zöllen wurde wenig später korrigiert, für Elektronik. Die Produktivkräfte waren stärker als Trumps Wille. Trump und seine Berater unterschätzen die Komplexität der Produktionsverhältnisse (Stichwort Lieferketten) und den erreichten Grad der internationalen Arbeitsteilung bei der Entwicklung der Produktivkräfte, aber in ihrem Unverstand können sie eine neue Weltwirtschaftskrise auslösen, worauf Lucas Zeise warnend und zu Recht hinweist.
Bernd Vogel, Leipzig
Stichwort: Heym
Zu jW vom 10./11.5.: »Auf eigene Faust«
Wenn ich einen Artikel lese, von dessen historischen Inhalt mir aus anderen Quellen vieles bekannt ist, warte ich immer auf die Stelle, die doch kommen müsste; aber sie kam nicht. Unfassbar oder enttäuschend? Damit meine ich beim Stichwort »Freie Republik Schwarzenberg« den Verweis auf das Urbuch zum Thema, nämlich »Schwarzenberg« von Stefan Heym. Das dürfte doch nicht bei einer solchen regionalhistorischen Recherche unter den Tisch fallen? Beim Autor hätte es »klick« machen müssen: Schwarzenberg bei Chemnitz – derzeit Kulturhauptstadt –, Stefan Heym, berühmtester Sohn der Stadt – dort geboren – Ehrenbürger und Weltbürger – schuf dieses eindrucksvolle Werk handlungsverknüpft mit den Aussagen eines Zeitzeugen, welchen er auch zu dieser ungewöhnlich kurzen Zeitspanne im Jahre 1945 interviewte. Dem Artikel hätten wenigstens fünf Sätze zu diesem Werk Heyms gutgetan. Dem weltberühmten Schriftsteller verdanken wir so viele Werke in seiner unbestechlichen Logik, seiner glasklaren Analyse von Vorgängen, seinem treffsicheren Humor und Witz. Die Chemnitzer lieben »ihren« Schriftsteller, und er liebte seine Geburtsstadt; gab dort viele Lesungen. Seine Lebenserfahrungen, sein Humor und Witz verbanden immer sofort die Zuhörer mit ihm. Bei einer Lesung im Chemnitzer Opernhaus meinte er einmal genüsslich, bezugnehmend auf ein Zitat eines Präsidenten an der Berliner Mauer: »Ich bin ein Chemnitzer!« – Stefan Heym war ein Unbestechlicher, der sich nicht einvernehmen ließ, weder vor 1989 in Ost noch nach 1990 in West. Als Abgeordneter der damaligen PDS hielt er die Eröffnungsrede im Bundestag; diese sollte in der jW wieder einmal nachlesbar gemacht werden. Er würde uns, lebte er noch, gerade heute in den politischen Strudeln der Machtverhältnisse, der Manipulation und Verleugnung historischer Tatsachen (Befreiung 8. Mai) durch die (Staats-)Medien, der geplanten erneuten Aufrüstung deutschland- und europaweit glasklar die Ursachen und Urheber benennen. (…)
Andreas Reim, Auerbach/Vogtland
JW-Enthüllung
Zu jW vom 12.5.: »›Ihre Körper wurden in der Ostsee versenkt‹«
Liebe Redaktion, die jW sollte nicht so unbescheiden sein. Der Skandal über die ermordeten Matrosen der M 612 wurde vor ziemlich genau 60 Jahren von der Jungen Welt enthüllt. Auf der Grundlage dieser enthüllenden Serie entstand die Fernsehserie »Rottenknechte« von Frank Beyer. Das hättet ihr durchaus erwähnen sollen. Als Autor und einer der Rechercheure dieses Skandals habe ich mich über dieses Interview über die Stolpersteine gefreut. (…)
Hugo Braun, Düsseldorf
Die Menschheit hat Smartphones, Reality-TV und Hyperschallraketen. Doch der Traum vom Gold bleibt. Und so ersetzt man heute Stößel und Zauberspruch durch Laser, Quantenalgorithmen und einen 27 Kilometer langen Tunnel unter Genf.
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