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Aus: Ausgabe vom 15.05.2025, Seite 11 / Feuilleton
Eurovision Song Contest 2025

»Der ESC war nie neutral«

Schafft es die israelische Teilnehmerin ins Finale des Eurovision Song Contest? Palästina-Aktivisten protestieren
Von Kim Nowak
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Der 69. Eurovision Song Contest wird vom 13. bis zum 17. Mai ausgetragen. Da der Künstler Nemo 2024 für die Schweiz den Sieg eingefahren hatte, findet der Schlagerwettbewerb dieses Jahr in Basel statt. Nach dem ersten Halbfinale am Dienstag folgt am Donnerstag das zweite, in dem sich auch entscheidet, ob es die israelische Teilnehmerin Yuval Raphael ins Finale schafft.

Die veranstaltende Europäische Rundfunkunion (EBU) betont gerne, dass es sich beim ESC um kein politisches Event handelt. Doch sind Belarus seit 2021 und Russlands seit 2022 aus politischen Gründen suspendiert. Israel darf trotz des Gazakrieges – wie seit 1973 fast immer –teilnehmen. Die das Land repräsentierende Sängerin Yuval Raphael ist eine Überlebende des Angriffs auf das Supernova-Festival am 7. Oktober 2023 – eine kalkulierte politische Geste. Gegen die Teilnahme Israels demonstrieren propalästinesische Aktivisten. Etwa letzten Sonntag während der Eröffnungszeremonie des ESC. Die Gruppe »ESCalate4Palestine« hatte aufgerufen, nach Angaben der Baseler Regionalzeitung BZ kamen mehrere Hunderte Demonstranten. Laut SRF blockierte eine Aktivistin eine Tram, in der Raphael saß. Zu Beginn der Zeremonie wurde die Sängerin ausgebuht.

Die Aktionen sollen deutlich machen, »dass sie in Basel nicht willkommen« sei, wie »ESCalate 4 Palestine« bereits am 4. Mai auf dem Instagram-Account der Gruppe schrieb. Durch die Teilnahme des »Apartheidstaats« würden »völkermörderische Handlungen propagiert«. Das israelische Kosmetikunternehmen Moroccanoil, »Presenting Partner« des ESC, sei »exemplarisch für ein Geflecht aus Markenpropaganda, kultureller Aneignung und der Imagepflege Israels«. Auch Vorjahresgewinner Nemo betonte am 8. Mai gegenüber Huff Post UK: »Das Vorgehen Israels steht in krassem Widerspruch zu den Werten, die die Eurovision zu verteidigen vorgibt – Frieden, Einheit und Achtung der Menschenrechte.« In einem offenen Brief an die Organisatoren fordern 72 ehemalige ESC-Teilnehmer ebenfalls den Ausschluss.

Die EBU bleibt bei ihrer Position. Man stehe »im Einklang mit anderen internationalen Organisatoren, die ihre inklusive Haltung gegenüber israelischen Teilnehmern beibehalten haben«, erklärte der Brite Martin Green, als EBU-Direktor der Hauptverantwortliche für den ESC. Kritik an Israel habe man dennoch. So unterstütze man die öffentlich-rechtliche israelische Rundfunkanstalt Kan »gegen die Gefahr einer Privatisierung oder Schließung durch die israelische Regierung«.

Derweil zeigte Kan am Wochenende einen Aktivisten wegen einer vermeintlichen Morddrohung an. Auf einem Video, das der Sender zeigt, fährt sich ein Mann mit Palästina-Fahne mit der Hand waagerecht über den Hals – laut Sender eine »Kopf-ab-Geste«, die Raphael und der israelischen Delegation galt. Die EBU hat zudem ihre »Flaggenrichtlinie« verschärft – eine Reaktion darauf, dass Nemo voriges Jahr eine Pride Flag für nichtbinäre Menschen gezeigt hatte. Nun dürfen Teilnehmer nur noch mit der Flagge ihres jeweiligen Nationalstaates auftreten. Im Publikum darf jede Fahne gezeigt werden, die nach Schweizer Recht erlaubt ist.

Mit weiteren Protesten ist also zu rechnen. In Hinblick auf den Ausschluss von Belarus und Russland bekräftigte »ESCalate 4 Palestine« am Montag auf Instagram: »Der ESC war noch nie neutral. Es war ein eindeutig politischer Schritt, der breite Unterstützung im Westen fand.«

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