Haushaltskürzungen für alle
Von Dieter Reinisch, Wien
Seit Wochen wurde spekuliert, wie die österreichische Regierung das enorme Haushaltsdefizit, das ihr die Vorgängerregierungen überlassen haben, in den Griff bekommen will. Bei der Budgetrede des Finanzministers Markus Marterbauer (SPÖ) wurde rasch klar: Sparmaßnahmen werden auf die Bevölkerung abgewälzt. Abgaben werden erhöht, Teuerungen, etwa für Gesundheitskarten und Klimaticket, kommen, und Förderungen werden gekürzt.
Das Budgetdefizit soll heuer von 4,7 auf 4,5 Prozent des BIP sinken, betonte Marterbauer in seiner Rede im Parlament, wo er am Dienstag den Doppelhaushalt für die Jahre 2025 und 2026 vorstellte. Im nächsten Jahr soll es 4,2 Prozent betragen, und 2028 will die Regierung dann aus dem sich anbahnenden EU-Defizitverfahren herauskommen. Mit dem Sparbudget der Dreierkoalition aus konservativer ÖVP, Sozialdemokraten und liberalen Neos sollen 6,4 Milliarden Euro in diesem Jahr und im kommenden Jahr weitere 8,7 Milliarden Euro eingespart werden.
Aus zwei Gründen seien die Kürzungen notwendig, so Marterbauer: »Erstens wollen wir hohe Zinszahlungen und die Abhängigkeit von den Finanzmärkten vermeiden. Zweitens wollen wir Spielräume für fortschrittliche Investitionen schaffen. Ich investiere das Geld lieber in Schulen, Schienen und Spitäler, als Milliardenbeträge für Zinsen zu zahlen.« Tatsächlich wird überall gespart und werden allseits die Abgaben erhöht: »Jeder wird betroffen sein, aber es muss uns gelingen, die Bevölkerung von der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Budgetsanierung zu überzeugen«, so Marterbauer weiter.
Im vergangenen Jahr betrug das Defizit des Gesamtstaates 22,5 Milliarden Euro (4,7 Prozent des BIP): »Ohne Sanierungsmaßnahmen wäre das Defizit für dieses Jahr auf mehr als 28,6 Milliarden Euro oder 5,8 Prozent des BIP gestiegen«, so die Rechnung des Finanzministers.
Besonders treffen werden die Kürzungen Familien. So werden Kinderbetreuungsgeld und Familienbeihilfe nicht mehr an die Inflation angepasst. Auch im Umweltbereich werden Förderungen gestrichen, etwa bei erneuerbaren Energieträgern. Der Klimabonus wird abgeschafft und das Klimaticket für öffentliche Verkehrsmittel verteuert – ab 1. Januar 2026 um satte 200 Euro. Auch die Bildungskarenz wird in ihrer aktuellen Form abgeschafft. »Wir können uns diese Maßnahmen in diesem Umfang, zumindest für den Moment, einfach nicht mehr leisten«, versuchte der sozialdemokratische Finanzminister sein Programm zu rechtfertigen.
Während klimafreundliche Maßnahmen gestrichen werden, sollen klimaschädliche Förderungen sogar ausgebaut werden, kritisierte die Budgetexpertin des Wirtschaftsforschungsinstituts, Margit Schratzenstaller, in den ORF-Nachrichten. Jeder zehnte Euro, der eingespart werden soll, werde aus dem Infrastrukturministerium kommen. Betroffen seien davon besonders der Ausbau und die Erneuerung der Bundesbahnen: In diesem Jahr sollen bei der Bahninfrastruktur 300 Millionen Euro, 2026 sogar 500 Millionen Euro gestrichen werden.
»Es ist ein gefährlicher Irrweg, in Zeiten multipler Krisen den Rotstift bei jenen anzusetzen, die ohnehin am wenigsten haben«, kritisierte Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich, und selbst SPÖ-Mitglied. Durch die Kürzung der Familienbeihilfe würde demnach die Armutsrate in Österreich von derzeit 14,3 Prozent auf 24,1 Prozent steigen.
Sanfte Kritik kam auch von den Gewerkschaften: »Gerechter wäre es, wenn Millionäre einen größeren Beitrag leisten müssten«, kommentiert Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) und SPÖ-Nationalratsabgeordnete. Die Vorsitzende der GPA-Frauen, Sandra Steiner, betonte, dass die Einsparungen vor allem Frauen treffen würden: »Kindererziehung ist eine gesellschaftlich wesentliche Aufgabe, deren Unterstützung Aufgabe des Staates ist.« Der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, Wolfgang Katzian, äußerte sich positiv zum Haushalt, fügte aber hinzu, dass die Einsparungen im Pensionsbereich, bei den Familienleistungen, beim Klimabonus und die Kürzungen bei den Klimaförderungen »nur schwer zu verdauen« seien.
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