Kosten für Kranke
Von Max Grigutsch
Mit einem von US-Präsident Donald Trump als »weltbewegend« angekündigten Dekret zur Senkung der Preise für rezeptpflichtige Arzneimittel in den USA wurden vor allem die Pharmakonzerne, deren Aktionäre und europäische Gesetzgeber in Bewegung gesetzt. Denn: In der Bringschuld sieht Trump die europäischen Staaten, die mehr zahlen sollen. Wie der Plan des US-Präsidenten umgesetzt werde, sei nicht vorauszusagen, wurde ein Sprecher des deutschen Gesundheitsministeriums am Mittwoch von Reuters zitiert. Auch ein Sprecher der EU-Kommission kündigte gegenüber der Nachrichtenagentur am Dienstag eine Prüfung der Auswirkungen des am Montag unterzeichneten US-Dekrets an.
Die horrenden Medikamentenpreise werden in den USA weitgehend von Pharmakonzernen diktiert. Trumps dekretierte Lösung: das »Most Favored Nation«-Prinzip, ein Relikt aus der ersten Amtszeit des US-Präsidenten. Demnach soll der Preis für in den USA verkaufte Arzneimittel künftig an den niedrigsten Preis gekoppelt werden, der in anderen Ländern für das gleiche Medikament gezahlt wird. So seien laut Trump Kostensenkungen von 59 Prozent zu erreichen, teilweise sogar 80 bis 90 und »viel mehr« Prozent, schätzte Trump am Montag, als er das Vorhaben unterzeichnete. Pharmakonzerne haben nun 30 Tage Zeit, um ihre Preise anzupassen – danach drohen staatliche Zwangsmaßnahmen. Einem Umsatzrückgang in den USA könnten dann Preiserhöhungen in anderen Staaten folgen.
Obwohl er gegen »Big Pharma« vorgehe, mache er »den Pharmakonzernen nicht die größten Vorwürfe«, stellte Trump klar. Verantwortlich für die fatale Gesundheitsversorgung in den Vereinigten Staaten macht er »sozialistische Gesundheitssysteme« wie das in Deutschland, denn diese würden von US-Patienten mitfinanziert, erklärte der Multimilliardär. Die großteils staatlichen Systeme Europas setzen auf zentrale Preisregulierungen, weshalb verschreibungspflichtige Medikamente durchschnittlich nur ein Drittel der US-Preise kosten. Die Masse der Pharmaprofite wird indessen im US-Markt erwirtschaftet. Das Dekret beinhaltet die Anweisung an das Handelsministerium, gegen die Preisbegrenzungen im Ausland vorzugehen – die Europäische Union verhalte sich in ihren Preisverhandlungen »unverschämter als China«, so der US-Präsident. Der Rest der Welt müsse mehr, die USA weniger zahlen.
Ob diese Politik Erfolg verspricht, ist fraglich, denn Konzernbosse bangen um ihre Gewinne. »Ohne die Erlöse in den Vereinigten Staaten wären Forschung und Entwicklung, wären neue Therapien auch für europäische Patientinnen und Patienten vielfach nicht denkbar«, verkündete Han Steutel, Präsident des Verbands forschender Arzneimittelhersteller, am Montag in einer Mitteilung. Der Pharmakonzern Roche erklärte am Dienstag gegenüber der FAZ, bei Inkrafttreten des Dekrets die »zuvor angekündigten erheblichen Investitionen in den USA auf den Prüfstand« zu stellen. Hart getroffen würden auch die irische Pharmaindustrie, die 2024 Medikamente im Wert von 44 Milliarden Euro über den Atlantik exportierte, sowie die britische, die rund ein Drittel ihrer Exporte an die USA liefert. Auch Deutschland exportierte 2024 Arzneimittel im Wert von knapp 28 Milliarden Euro in die USA.
Anders steht es um die Mehrkosten für Europäer, die in der Branche auf Zuspruch stößt. Der Präsident des US-Lobbyverbands Pharmaceutical Research and Manufacturers of America, Stephen Ubl, kommentierte am Montag in einer Mitteilung: »Ausländische Preise aus sozialistischen Ländern zu importieren, wäre für amerikanische Patienten und Arbeiter ein schlechtes Geschäft.« Ganz ähnlich sieht das Bayer-Chef Bill Anderson, der schon Mitte April im Handelsblatt angemahnt hatte, dass es in Deutschland »Discountpreise für Medikamente« gebe. Auch die Unternehmen Novartis und Sanofi hatten im April in einem offenen Brief höhere Medikamentenpreise in Europa gefordert. Ob Trump seinen Vorstoß nun komplett oder nur teilweise durchsetzen kann: Die Kranken und Armen in Europa können sich auf eine teurere Gesundheitsversorgung gefasst machen.
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