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Aus: Ausgabe vom 15.05.2025, Seite 4 / Inland
Angebliche Anschlagspläne

Fingerzeig auf Moskau

Bundesanwalt lässt drei Ukrainer festnehmen. Sie sollen in russischem Auftrag Anschläge geplant haben
Von Philip Tassev
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Nicht das Werk Russlands: Der Absturz eines DHL-Flugzeugs nahe Vilnius war das Ergebnis eines Pilotenfehlers (25.11.2024)

Auf Geheiß des Generalbundesanwalts sind in den vergangenen Tagen drei ukrainische Staatsbürger festgenommen worden. Sie sind der »Agententätigkeit zu Sabotagezwecken dringend verdächtig«, wie die oberste deutsche Anklagebehörde am Mittwoch mitteilte. Den drei Beschuldigten wird vorgeworfen, sich zur »Begehung einer schweren Brandstiftung sowie der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion bereit erklärt zu haben«. Konkret sollen sie spätestens Ende März 2025 geplant haben, »Brand- und Sprengstoffanschläge« auf den »Gütertransport« in der BRD zu verüben, indem sie von Deutschland aus an Empfänger in der Ukraine »Pakete mit Spreng- oder Brandvorrichtungen« versenden, die sich dann beim Transport entzünden würden. Einer der Beschuldigten soll zwei mit GPS-Trackern versehene »Testpakete« verschickt haben, »um geeignete Transportwege auszukundschaften«. Das alles sollen die drei Ukrainer – wie kann es auch anders sein – »mutmaßlich im Auftrag russischer staatlicher Stellen« getan haben.

»Wenn sich die Vorwürfe bestätigen, dann handelt es sich um einen sehr ernsten Vorgang«, kommentierte die neue Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) in Berlin die Festnahmen und behauptete, von Russland gehe eine »hybride Bedrohung« aus: »Wir wissen, dass Russland mit allen Mitteln versucht, die westlichen Demokratien zu destabilisieren – auch mit gezielter Sabotage und perfiden geheimdienstlichen Methoden.«

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul sagte dazu bei einer Pressekonferenz in Düsseldorf, er sei sich »nicht sicher, ob das alles ist«. Der Beschuldigte, der angeblich die Transportwege auskundschaften sollte, war in Köln festgenommen worden. »Es ist nicht zu Ende. Es könnte noch einen zweiten, dritten oder vierten Vorgang geben«, raunte der CDU-Mann. Die Gefahr sei im aktuellen Fall eine ernstzunehmende gewesen. Auch Reul sprach von einer »hybriden Bedrohung«, gar von einer neuen Qualität. Russische Geheimdienste gingen risikobereiter und aggressiver vor. Sie würden dabei keine ausgebildeten Agenten der alten Schule mehr benutzen, sondern Menschen, die für kleines Geld angeworben werden. Dies sei auch im aktuellen Fall der erste Eindruck. Russland wolle hier in Deutschland verunsichern und Schaden anrichten und greife daher nicht nur staatliche Institutionen, sondern auch kritische Infrastruktur, Privatwirtschaft und einzelne Personen an. Aber: »Die Ermittlungen fangen gerade erst an«, so Reul. Was sie enthüllen werden, wie lange sie dauern werden und ob es ähnlich starken Widerhall bei Politikern und Medien geben wird, wenn sich zeigen sollte, dass an der Geschichte nichts dran ist – unklar.

Schon seit einiger Zeit wird versucht, mit Fällen von in Brand geratenen Paketen Propaganda gegen den »heimtückischen Russen« zu machen. Immer wieder wird behauptet, russische Geheimdienste würden Postsendungen in Flammen aufgehen lassen, um Angst und Schrecken zu verbreiten.

Im Sommer vergangenen Jahres häuften sich Meldungen über brennende Pakete in Lagerhäusern des DHL-Konzerns in Großbritannien und Polen sowie im DHL-Frachtzentrum am Flughafen Leipzig. Der damalige Chef des deutschen Inlandsgeheimdienstes, Thomas Haldenwang, behauptete zu letztgenanntem Vorfall, es hätte zu einem Flugzeugabsturz kommen können.

Der bisher in diesem Zusammenhang einzige Fall einer brennenden Postsendung, bei dem tatsächlich Menschen zu Schaden kamen, war der Absturz einer von DHL gecharterten Frachtmaschine im November 2024 in Litauen. Eines der vier Crewmitglieder war damals ums Leben gekommen. Prompt folgten mehr oder weniger offene Schuldzuweisungen Richtung Moskau. Doch vier Monate später musste die litauische Staatsanwaltschaft eingestehen: Ein Pilotenfehler hatte zu dem Absturz geführt, Russland damit nichts zu tun. Diese Nachricht fand jedoch weit weniger mediale Aufmerksamkeit als die ursprüngliche Meldung, wonach russische Sabotage nicht ausgeschlossen werden könne.

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