Merz erklärt Regierung
Von Niki Uhlmann
Der Staat, »das sind wir alle«, beschwor Blackrock-Kanzler Friedrich Merz (CDU) die Demokratie am Mittwoch bei seiner Regierungserklärung vor dem Bundestag. Die BRD könne »alle Herausforderungen, ganz gleich wie groß sie auch sein mögen, aus eigener Kraft heraus bewältigen«, versuchte er Zuversicht zu stiften. Der »reibungslose und kollegiale« Regierungswechsel habe etwa die »demokratische Reife« Deutschlands bewiesen. Nun stünde – nach einem vergeigten ersten Bundeskanzlerwahlgang wohlgemerkt – ein »Politikwechsel« ins Haus. Erklärt hat Merz indes nicht viel, eher den Koalitionsvertrag interpretiert.
Die »Rezession« müsse man überwinden und wieder zur »Wachstumslokomotive« werden. »Erdrückende Bürokratie, marode Infrastruktur, teure Energieversorgung und vergleichsweise hohe Steuern« hätten die BRD jahrelang ökonomisch gelähmt. Darum sollen unternehmerische Sorgfaltspflichten gelockert, in dieser Legislaturperiode »bis zu 150 Milliarden Euro« des Sondervermögens verausgabt, eine »unideologische und technologieoffene« Energiepolitik samt Stromsteuersenkung ins Werk gesetzt, ferner Konzerne steuerlich begünstigt werden. Unter anderem Vorzeichen ist die neue Regierung genauso Anwältin des BRD-Kapitals wie die vorige.
Über gleichsam hingebungsvolle Betreuung können sich die werktätigen Massen dagegen nicht freuen. Die Entlastung »kleiner und mittlerer Einkommen bei der Einkommenssteuer« muss nämlich warten, bis »es die finanziellen Möglichkeiten hergeben«. Vom Wirtschaftswachstum hänge auch der Sozialstaat ab, fachsimpelte Merz weiter. So gebiete die Sozialpartnerschaft, dass Verbesserungen bei Rente und Mindestlohn den zuständigen Kommissionen überlassen blieben. Gesetzgeberisch tätig werde man allerdings beim Bürgergeld, das in die neue Grundsicherung überführt werden soll, damit »genügend Anreize bestehen, ein höheres Erwerbseinkommen zu erzielen oder eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufzunehmen«. Im Klartext: Die Deutschen dürfen sich vorerst auf eine beschleunigte Umverteilung von unten nach oben einstellen.
Unmittelbar widersprüchlich muteten Merz’ Ausführungen zum »Fortbestand der offenen Gesellschaft« an. Einerseits sei die BRD »ein sehr sicheres Land«, andererseits sei es notwendig, Sicherheitsbehörden »besser auszurüsten«. Zum einen wolle man der »Forschung mehr Freiheit« einräumen, zum anderen den »unerträglichen Antisemitismus« auch in »der Wissenschaft« bekämpfen. Weil 2025 keine Regierungserklärung ohne rassistische Narrative der AfD auskommt, schlug Merz über Kriminalität und Antisemitismus den Bogen zur »ungesteuerten Migration« und widersprach sich ein drittes Mal: Die BRD bleibe »Einwanderungsland«, aber mit »mehr Begrenzung, mehr Zurückweisungen« und »mehr Rückführungen«. Das sei kein »nationaler Alleingang«, behauptete er.
Außenpolitisch schlug Merz grandiose Töne an: »Europa erwartet etwas von uns.« Die »Friedensordnung unseres ganzen Kontinents« müsse verteidigt, die Bundeswehr »zur stärksten Armee Europas« werden. Applaus erntete er dafür, an seinem »ersten vollen Amtstag gleich nach Paris und Warschau« gereist zu sein. Ein »Neustart der deutsch-französischen Beziehungen« sei in Aussicht, ein »noch engerer Zusammenschluss« der EU das Ziel. Triebkraft dessen dürfte das angestrebte »strategische De-Risking« sein. China bleibe zwar »wichtiger Partner«, mit »einseitigen Abhängigkeiten« werde aber Schluss gemacht. »Eine stabile, freie und sichere Indopazifikregion« sei für BRD wie EU »von großer Bedeutung«, rundete Merz seine Vorstellung des globalen Führungsanspruchs Deutschlands ab. Sicher ist vor selbigem nur Israel, an dessen Seite man »unverbrüchlich« stehe.
Stilistisch war die Rede durchwachsen. Merz bemühte dort, wo die Regierungspläne noch nicht gediehen sind, Allgemeinplätze wie »vertiefen« und »ausbauen«. »Wer aber vom Ausbau und von der Vertiefung eines Bündnisses gesprochen hat, der hat der Sprache einen heillosen Verlust beigebracht«, wusste Karl Kraus schon 1918.
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