Brezengangs Untergang
Von Pierre Deason-Tomory
Der Österreichische Rundfunk will ein hellsichtiges Stück von Hans Magnus Enzensberger zu dessen dreieinhalbstem Todestag am 24. Mai dem Vergessen entreißen. Für die Nachgeborenen: Enzensberger hat die Dichtergruppe 47-11 gegründet, in Köln am Wasser im Jahr 1947 im Beisein von elf Faschingsprinzen. Den Namen des Karnevalvereins konnte er noch von Inge borgen, dann ging alles den Bachmann runter. Hohe Anerkennung wurde ihm zuteil, als er 1974 ein Anagramm zu Anna schuf (Anna) und ein Anagramm zu Magnus Enzensberger (Serenus M. Brezengang).
Brezengang reimte Enzensberger 1998 auf Untergang, und so entstand die Komödie »Der Untergang der Titanic« (ORF 2025, Do., 23.03 Uhr, Sa., 14 Uhr, Ö 1), mit der es ihm gelang, eine Katastrophe vorherzusagen, die sich bereits ereignet hatte. Im Internet wird das Werk positiv bewertet (»Zustand: Befriedigend/Good. Durchschnittlich erhalten, mit Gebrauchsspuren, aber vollständigen Seiten.«) Der ORF hat Enzensbergers Untergang nun als Hörspiel inszeniert. Weil alle angefragten Schauspieler absagten, wurden Studiosi der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien verpflichtet, Regie Harald Krewer. Spoiler: Der ganze Dampfer muss am Ende untergehen, die erste Klasse genauso wie die dritte. Aber die Passagiere aus der ersten kriegen Rettungsboote.
Erster Vorschlag für die Hörfunkwoche ist der neue »ARD-Radio-Tatort« aus der Schweiz, »Brot weint« von Dominik Bernet (SRF 2025, Fr., 19.04 Uhr, WDR 3, Sa., 17.04 Uhr, WDR 5, 19.04 Uhr, HR 2 Kultur, SWR Kultur, 20 Uhr, SRF 2 Kultur, 20.03 Uhr, Bayern 2, So., 17.04 Uhr, SR 2 Kultur, 18.05 Uhr, Bremen zwei, 19.04 Uhr, NDR Kultur, Mo., 20.04 Uhr, MDR Kultur). In zwei Teilen bringt WDR 5 das »Kabarettfest aus Paderborn«, Matthias Brodowy und Ingo Börchers ließen am 2. Mai Lars Reichow, Wilfried Schmickler und Erwin Grosche antreten (Di. und Mi., 20.03 Uhr). Aus »Erinnerung eines Hauptmanns« und anderen 2019 wiederaufgefundenen Erzählungen von Marcel Proust liest Till Firit in den »Radiogeschichten« (Do., 11.05 Uhr, Ö 1).
Was man über Non-Fungible Tokens nur vermutet hat, bestätigt das Feature »NFTs – Das Geschäft mit der digitalen Kunst« (DLF 2023, Fr., 20.05 Uhr, DLF). Damit man sich daran gewöhnen kann, lädt uns die Met zeitversetzt live mal wieder zur »Salome« von Richard Strauss ein (Sa., 17.30 Uhr, Ö 1, 19 Uhr, DLF Kultur), die »ARD-Oper« spielt Händels »Athalia«, aufgenommen voriges Jahr in Halle (Sa., 20.03 Uhr, BR Klassik, HR 2 Kultur, NDR Kultur, MDR Klassik, Radio 3, SR 2 Kultur, WDR 3). Nach diesen beiden Bibelblockbustern ist noch eine Götterhämmerung angesetzt: Raoul Schrott hat Hesiods »Theogonie (1/2)« nacherzählt, um syro-anatolische und hethitische Texte ergänzt (NDR, SWR 2014, Sa., 23.03 Uhr, SWR Kultur).
Ebenfalls hornalt: der Jugendtrendsport »Skateboarding«. Elisabeth Weilenmann staunt über die beinbrechende Kulturleistung gestrandeter Surfer (So., 18.04 Uhr, NDR Kultur). Ein Salonputschistenkomplott wird ausbaldowert im Hörspiel »Unter Glas« von Benjamin Lauterbach und Juli Zeh; und wie es bei Umstürzlern guter Brauch ist, zerstreitet man sich schon bei der Formulierung der Ziele (SWR 2008, So., 18.20 Uhr, SWR Kultur). Was ist der Zwist der Weltenretter schon verglichen mit dem »Trübsal einer Straßenbahn«? Joseph Roth konnte Feuilletons für die Frankfurter Zeitung darüber schreiben, die gerade so betitelt erschienen sind und aus denen Philipp Hauß am Montag lesen wird (11.05 Uhr, Ö 1), während sich irgendwo auf dieser Welt eine Tram vom Damm stürzt.
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