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Aus: Ausgabe vom 13.05.2025, Seite 8 / Ansichten

Ultimatist des Tages: Stefan Kornelius

Von Arnold Schölzel
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Am Montag wurde der bisherige Politikchef der Süddeutschen Zeitung (SZ), Stefan Kornelius (Atlantikbrücke, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, Beirat Bundesakademie für Sicherheitspolitik usw.), zum Regierungssprecher ernannt. Er stehe nun »auf der anderen Seite«, kommentierte er das Verharren im stets Gleichen. Seine erste Pressekonferenz bestätigte seine Eignung. Wenn eine Waffenruhe in der Ukraine im Laufe des Tages nicht stehe, würden Sanktionsvorbereitungen gegen Russland »in Gang gesetzt«, wiederholte er die Drohungen seines Chefs Friedrich Merz vom Sonnabend. Der eifrige Kornelius fügte nun hinzu: »Die Uhr läuft, wir haben noch zwölf Stunden bis zum Ablauf dieses Tages.« Da blieb nur unklar, wann die Moskowiter zurückweichen.

Kornelius ist bislang vor allem Verbalgeschütz großen Kalibers, demnächst kann er über reale deutsche Großgeschosse berichten. OIaf Scholz, plaudert er in der SZ im Februar nach der Münchner Sicherheitskonferenz aus, habe dort eine »versteckte, aber sehr ernstgemeinte Aussage über die Entwicklung und Einführung ›abstandsfähiger Präzisionswaffen‹« gemacht, worüber mit Paris und London gesprochen werden solle. Für »Militärkryptologen« sei die Aussage elektrisierend: Scholz wolle mit der Entwicklung von Mittelstreckenwaffen Ernst machen, die »Sensation« liege darin: »Bedeutet der Verweis auf die Atommächte Frankreich und Großbritannien, dass diese Waffen nukleare Sprengköpfe tragen könnten?« Auf jeden Fall sei in München die rote Linie gesucht worden, »die eines Tages Wladimir Putin diktiert werden muss, dann nämlich, wenn eine ultimative Aufforderung für Verhandlungen auf den Tisch kommt.« Denn: Diktier dem Putin ein Ultimatum, dann folgt der dem. Mit Kornelius kommt soviel Realitätssinn wie selten in die deutschen Führungszirkel.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (13. Mai 2025 um 13:06 Uhr)
    Geschätzter Herr Schölzel! Mit Ihrem Beitrag bestätigen Sie meine jahrelangen Analysen und Synthese zur multialltäglichkeitsfallfokussierten und -fixierten Realität der normierten Menschenrechtsfeindlichkeit. Sie schließt z. B. die Erkenntnisse der Sozialpsychologie der Arbeiterklasse aus den 1970/1980er Jahren ein, um sie zu überwinden und sie neu zu definieren (das In-Die-Herkunft-für-immer-Gezwungensein). Und nun stellt sich heraus, dass sich auf höchster Ebene von der einen Seite der vermeintlich Vielen, die sich die Willigen nennen (eine äußerst fragwürdige Selbstbenamung!), einer einzigen Person mitsamt einem ausschließlichen Gebäude der Ausübung der Macht/Regierung/Realitätsumordnung als diese einseitige rote Linie vorgeschrieben wird. Wie ich mich erinnere: Der Kleine in Kiew trat zur Wahl mit dem Vorsatz an, den Bürgerkrieg zu beenden. Das bedeutet: Diese Tatsache war und ist bekannt: Der Krieg begann eben nicht am 24. Februar 2022, sondern, wie Frau Victoria »Fuck the EU« Nuland längst bestätigt hat, mit mindestens fünf Komma fünf Milliarden Dollar vor 2013! Wir werden noch Neuigkeiten hören, die uns unbekannt sind und dermaßen oft allen präsentiert werden, bis sie nur noch wahr sein können. Ein schlagendes Beispiel: Im Jahre 2008 wurde Georgien von Russland angegriffen. Ich konnte damals schon lesen. Die Hauptstadt Südossetiens und die Wohnhäuser der russischen Schutztruppen wurden massiv angegriffen. Am 8. August 2008. Alle Welt wollte die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Beijing miterleben. Diesen Massenmord, befohlen von einigen kranken Gestalten aus Tblissi zur besten Zeit, wem anders anzuhängen, bleibt bis heute ein bestes Beispiel für Realitätsverzerrungen und -verluste. Oder: Welche ARD-/ZDF-Person war 2013/14 in Kiew und stellte die Frage, warum an den Zutritten der Zelte die Schilder hingen: Brauchen Geld für Munition und Zigaretten. Die Waffen hatten sie also schon. Und genug zu saufen. Herr Westerwelle hat jedes Foto mit denen verweigert.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (13. Mai 2025 um 09:51 Uhr)
    Ich habe nicht die Absicht, Stefan Kornelius zu verteidigen – er ist nun einmal »nur« Regierungssprecher. Er macht keine Politik, sondern erklärt sie. Doch genau darin liegt das eigentliche Problem: Seine Berufung ändert nichts daran, dass die Bundesrepublik weiterhin versucht, das Pferd von der falschen Seite aufzuzäumen. Solange deutsche Außenpolitik auf Konfrontation statt Deeskalation setzt, kann von Realitätssinn in den Führungszirkeln kaum die Rede sein – auch nicht mit Kornelius. Wer meint, mit Ultimaten und verbaler Aufrüstung politische Lösungen erzwingen zu können, verkennt die Logik internationaler Konflikte – und trägt zur Eskalation bei, statt sie zu verhindern.
  • Leserbrief von Rayan aus Unterschleißheim (13. Mai 2025 um 06:57 Uhr)
    Die sarkastische Ironie liest sich allerliebst. Der Stil schützt ja auch vor lästigen Gerichtsverfahren, angestrengt aufgrund narzisstischer Kränkungen, wenn mensch bestimmte Typen ganz unironisch das nennt, was sie sind: Bosdumme Deppen.

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