Es bleibt prekär
Von Gudrun Giese
Die Lage in Krankenhäusern, Altenheimen und in Haushalten mit pflegebedürftigen Angehörigen ist dramatisch. Dass sie sich in absehbarer Zukunft entspannen könnte, erscheint angesichts der Vereinbarungen der neuen Bundesregierung ausgeschlossen. So bleibt es Pflegebedürftigen, ihren Angehörigen, dem überlasteten Personal sowie den diese Gruppen vertretenden Organisationen überlassen, am Internationalen Tag der Pflegenden einmal mehr aufzulisten, welche Schritte nötig wären, um allen gerecht zu werden. Die gesetzliche Pflege- und Krankenversicherung solle von versicherungsfremden Leistungen entlastet werden, fordern DGB und Verdi. Die Beiträge von Bürgergeldempfängern müssten ebenso aus Steuergeld aufgebracht werden wie die Rentenversicherungsbeiträge pflegender Angehöriger. Die Pflegeversicherung sollte durch einen dynamisch steigenden Bundeszuschuss gestärkt werden.
Mindestens genauso wichtig ist aber auch, auf alle Einkommensarten Sozialversicherungsbeiträge zu erheben, nicht allein auf Löhne und Gehälter. Wer satte Dividenden auf Aktien, erhebliche Zinseinkünfte oder regelmäßige Einkünfte aus Mieten oder anderen Immobiliengeschäften verbucht, sollte Beiträge darauf entrichten. Das bringt noch mehr als der von Bundessozialministerin Bärbel Bas (SPD) eingebrachte Vorschlag, Beamte, Abgeordnete und Selbständige in die Beitragspflicht einzubeziehen, was sich ohnehin auf die Rente bezog. Grundsätzlich ist aber eine Sozialversicherung für alle nötig, um dauerhaft sämtliche Leistungen bezahlen zu können. Anderenfalls steigen die Eigenanteile der Pflegebedürftigen ins Unermessliche.
Zusätzliche Mittel ließen sich also leicht schöpfen. Allein, es fehlt der politische Wille dazu. Das betrifft auch die Entlastung der Beschäftigten. Die Koalition aus Unionsparteien und SPD hat »eine geeignete Personalbemessung im Krankenhaus und in der Pflege« vereinbart. Das ist gar nichts. Dabei existiert der von Verdi, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Deutschen Pflegerat entwickelte Schlüssel für die Krankenhauspflege, die PPR 2.0, die fixiert, wie viele Pflegekräfte für welche Patientenzahl einzusetzen sind. Ohne solche Vorgaben wird es beim Pflegenotstand bleiben, denn die enorme Überlastung in Kliniken, Altenheimen und ambulanter Pflege treibt Beschäftigte aus dem Beruf, während sich zugleich noch weniger junge Leute für eine Ausbildung in diesem Bereich interessieren. Und der Beruf wird durch einen weiteren Beschluss von Schwarz-Rot noch unattraktiver: Mit der vereinbarten Abschaffung der täglichen Höchstarbeitszeit zugunsten einer wöchentlichen Obergrenze werden in der Pflege sogar 14-Stunden-Schichten legal. Schon heute beträgt die gesetzliche Ruhezeit in diesem Bereich nur zehn Stunden. Geht es so weiter im Gesundheitswesen, können sich bald nur noch sehr wenige leisten, krank oder pflegebedürftig zu werden.
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