»Einen Riesenstau wird es so oder so geben«
Interview: Max Ongsiek
Die Autobahn GmbH präsentierte jüngst in Berlin die angeblich verkehrlichen Vorteile des 16. Bauabschnitts der Stadtautobahn A 100. In einer Mitteilung spricht das Aktionsbündnis »A 100 stoppen« von einer beschönigenden Darstellung. Was haben Sie daran auszusetzen?
Die Zahlen der Präsentation stammen alle aus dem damaligen Planfeststellungsverfahren. Das sollte beweisen, dass der 16. Bauabschnitt eine positive verkehrliche Wirkung erzielt. Insgesamt sollen durch das Bauprojekt mehr Straßen und Kieze vom Verkehr entlastet als belastet werden. Irreführend ist allerdings, dass genau dort, wo die Mehrbelastung durch die Verkehrsdichte beginnt, nämlich im Norden, die Grafik der Autobahn GmbH einfach aufhört. Also man sieht noch ein bisschen die Elsenbrücke, die ist rot und dann ist Schluss. Also mehr Verschleierung geht ja nicht. Klar wird der Verkehr parallel zur Autobahn entlastet, aber dort, wo sie endet, erhöht sich dieser logischerweise auch.
Wann kommt der 17. Bauabschnitt?
Für den 17. Bauabschnitt gibt es noch keine Planfeststellung. Das heißt, es wird auf jeden Fall noch Jahre dauern.
Seit Jahren wird auch an der Verlängerung der in den 1950er Jahren ursprünglich als Ringautobahn geplanten A 100 im Berliner Südosten gebaut, mehrfach wurden Fertigstellungstermine verschoben. Nun sollen im September Autos über den 16. Abschnitt von Neukölln bis Treptow fahren können. Warum spricht sich das Bündnis vehement dagegen aus?
Warum überhaupt eine Autobahn? Die Frankfurter Allee zum Beispiel hat ungefähr die Verkehrsbelastung von 60.000 Autos pro Tag. Mit einer ähnlichen Verkehrsbelastung wird auch für den 16. Bauabschnitt gerechnet. Auf der Frankfurter kann man spazieren gehen, Fahrrad fahren, skaten oder sich in ein Café setzen. Trotz dieser Lärmbelastung bringt diese Allee also Menschen zusammen. Auf der Autobahn kann man hingegen nur Auto fahren. Sie trennt Kieze. Ich habe drei Kinder, und wir leben autofrei. Stellen Sie sich vor, eine Tochter möchte ihre Freundin auf der anderen Seite besuchen und muss erst einmal über die Autobahn. Und da in Berlin nur ein Drittel der Einwohner über ein Auto verfügen, werden die, die keines haben, ausgegrenzt und diskriminiert.
Welche Alternativen zur Verlängerung der Stadtautobahn bieten sich aus Ihrer Sicht an?
Das Berliner Mobility Institute hat 2021 seinen Reisezeitindex veröffentlicht. Die Forschungseinrichtung hatte untersucht, wo man in Berlin mit dem öffentlichen Nahverkehr schneller oder langsamer als mit dem Auto unterwegs ist. Demzufolge ist der öffentliche Nahverkehr im Bezirk Lichtenberg, also genau da, wo die Autobahn enden soll, bis zu dreimal langsamer unterwegs als mit dem Auto. Und warum ist das so? Weil dort keine S- und U-Bahnen hinfahren und das Verkehrsnetz nur mit Bus und Straßenbahn erschlossen ist. Tatsächlich würden laut einer BVG-Untersuchung 80 Prozent der Berliner mit dem ÖPNV fahren, sofern dieser vernünftig ausgebaut und pünktlich wäre.
Wie steht die Bevölkerung zur Verlängerung der A 100?
Dort, wo die Anwohner direkt betroffen sind, wird der Ausbau überwiegend abgelehnt. Allerdings ist es auch egal, ob man jetzt direkt betroffen ist oder indirekt, denn einen Riesenstau wird es so oder so geben.
Welche weiteren Proteste hat das Bündnis denn noch geplant?
Lassen Sie sich überraschen! Aber die nächste für uns wichtige Veranstaltung ist, obwohl nicht von uns organisiert, der Protestrave »A 100 Wegbassen«, der am 17. Mai stattfindet. Geplant wird das Ganze von einem Bündnis, in dem hauptsächlich Clubs aktiv sind. Tatsächlich gibt es jetzt immer mehr Leute und Initiativen, die eine Demo gegen die Stadtautobahn anmelden.
Tobias Trommer ist Gründer des Berliner Aktionsbündnisses »A 100 stoppen!«
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