Gegründet 1947 Sa. / So., 17. / 18. Mai 2025, Nr. 114
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 13.05.2025, Seite 6 / Ausland
Nahostkonflikt

Londons Waffenhilfe vor Gericht

Großbritannien: Parlament und Öffentlichkeit über Ausmaß von Rüstungskooperation mit Israel getäuscht
Von Christian Bunke
imago817590831.jpg

Die britische Regierung kommt zunehmend in Erklärungsnot. Diesen Dienstag befasst sich der High Court in London mit der Frage, ob das Land mit den Lieferungen von Bestandteilen von F-35-Kampfflugzeugen an Israel gegen britisches Recht verstoßen habe. Laut einem Bericht der Tageszeitung Guardian vom Montag will die Regierung nun argumentieren, dass britische Verpflichtungen im Rahmen des F-35-Programms schwerer wiegen als Verpflichtungen des Landes zur Verhinderung eines Völkermords wie zum Beispiel im Gazastreifen.

Allerdings geht es nicht allein um Bauteile für den F-35-Jet. Überhaupt wurden und werden während des israelischen Krieges gegen die Bevölkerung des Gazastreifens regelmäßig und in einem großen Umfang Waffen und Waffenbestandteile aus Großbritannien nach Israel verschickt. Und dies, obwohl der britische Außenminister David Lammy am 28. Oktober 2024 im britischen Unterhaus behauptet hatte, dass aus Großbritannien großteils Güter »defensiver Natur« geliefert worden seien, darunter »Helme und Schutzbrillen«. Doch eine am 7. Mai von den Organisationen »Palestinian Youth Movement«, »Workers for a Free Palestine« und »Progressive International« veröffentlichte Untersuchung lässt an dieser Darstellung deutliche Zweifel aufkommen.

Für den Untersuchungsbericht wurden von der israelischen Steuerbehörde veröffentlichte Daten aus dem Zeitraum zwischen Oktober 2023 und März 2025 herangezogen. Sie wurden mit Daten britischer Exportbehörden abgeglichen. Hilfreich bei der Recherche waren die Zahlencodes, mit denen die Steuerbehörde Einfuhren nach Israel kennzeichnet. Aus diesen Statistiken lässt sich bis zu einem gewissen Grad aufschlüsseln, was für Gegenstände aus Großbritannien nach Israel exportiert werden, in welcher Größenordnung diese Exporte erfolgen, ob diese mit dem Schiff oder per Flugzeug getätigt werden und wo in Israel die Produkte anlanden.

Im September hatte die Regierung in London die Suspendierung von 30 militärischen Exportlizenzen an Israel verkündet. Insgesamt hat Großbritannien 368 sogenannte strategische Exportkontrolllizenzen an Tel Aviv vergeben. Die Aufhebungen haben somit eine ohnehin nur sehr begrenzte Wirkung. Die 30 Lizenzen sollen laut britischen Regierungsangaben vor allem die Bestandteile für die F-35-Jets betreffen, die vom israelischen Militär für die Bombardierung Gazas verwendet werden.

Die Autoren des Untersuchungsberichts stellen die These auf, dass Exporte dieser Teile nach Israel aufgrund der Beschränkungen eigentlich hätten zurückgehen müssen. Das war aber laut den Daten der Steuerbehörde nicht der Fall. Im Gegenteil habe es einen »kleinen, aber statistisch signifikanten Anstieg von Verschiffungen nach Israel« gegeben, heißt es im Bericht. Die Vermutung liegt somit nahe, dass britische Lieferungen einen wichtigen Anteil daran hatten, diesen Teil der israelischen Kriegsmaschinerie funktionsfähig zu halten.

Darüber hinaus verzeichnet der Bericht unter anderem folgende Kategorien der Steuerbehörde, unter denen Lieferungen aus Großbritannien registriert sind: »Bomben, Granaten, Torpedos, Minen, Raketen und ähnliche Kriegsmunitionen und Teile davon; Teile und Zubehör von Revolvern oder Pistolen; Teile und Zubehör von Schrotflinten und Gewehren; Raketenwerfer, Flammenwerfer, Granatwerfer, Torpedorohre und ähnliche Werfer; Panzer und andere gepanzerte Kampffahrzeuge, motorisiert, ob mit Waffen ausgestattet oder nicht, und Teile solcher Fahrzeuge.«

Das ist eine stattliche Bandbreite an Rüstungsgütern. Insgesamt gab es im Untersuchungszeitraum 14 Lieferungen an Israel, darunter 150.000 Stück Munition. Helme und Schutzbrillen sind das nicht. Linke Unterhausabgeordnete wie der ehemalige Labour-Parteichef Jeremy Corbyn unterstellen deshalb dem Außenministerium, die britische Öffentlichkeit falsch informiert zu haben. Corbyn fordert schon seit geraumer Zeit eine öffentliche Untersuchung über das Ausmaß britischer Beteiligung am Gazakrieg, bislang jedoch ohne Erfolg.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:

Ähnliche:

  • Für mit seinen Waffen begangenen Verbrechen wird Raytheon-Nachfo...
    22.10.2024

    RTX wäscht sich rein

    US-Rüstungskonzern stimmt Milliardenstrafe für Korruption zu. Das Unternehmen verdient derzeit besonders an Israels Kriegen im Nahen Osten

Mehr aus: Ausland