BRD bleibt Komplize
Von Jakob Reimann
An diesem Dienstag bricht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) zusammen mit seinem israelischen Amtskollegen Isaac Herzog zum feierlichen Staatsbesuch nach Israel auf. Empfangen wird das deutsche Staatsoberhaupt am Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv »mit militärischen Ehren«. Kulturellen Programmpunkten und einem »Gespräch mit Intellektuellen zur Lage in Israel« folgt am Nachmittag das Highlight der Reise: ein Treffen mit dem per internationalem Haftbefehl wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit gesuchten Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu.
Bereits am Montag hatte Herzog Berlin besucht und wurde im Schloss Bellevue mit militärischem Pomp begrüßt, um gemeinsam mit Steinmeier das 60jährige Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der BRD und Israel zu begehen. Der Sozialdemokrat Herzog hat sich in der Vergangenheit zwar wiederholt kritisch zur extrem rechten Regierungskoalition in Israel geäußert, doch steht er selbst international unter Druck. Seine Aussage »Es ist eine ganze Nation da draußen, die verantwortlich ist« wird im Genozidverfahren vom Internationalen Gerichtshof als Beispiel »entmenschlichender Sprache« sowie als mögliches Indiz für eine völkermörderische Intention der israelischen Führung genannt. Im Zuge seiner Teilnahme am Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar 2025 wurden gegen Herzog mehrere Strafanzeigen wegen »Anstiftung zum Völkermord« und »Verbrechen gegen die Menschheit« eingereicht, berichtete das Schweizer Onlinemagazin Baba News.
»Wir befolgen das humanitäre Völkerrecht«, versicherte Herzog zur besten Sendezeit im ZDF-»Heute-Journal«, doch man kämpfe nunmal gegen »einen dschihadistischen bösen Feind«. Auch tue das israelische Militär »alles, um dafür zu sorgen, dass humanitäre Hilfe nach Gaza kommt«, kann Herzog gegenüber Millionen Zuschauenden unverhohlen seine Lügen ausbreiten. Denn seit nunmehr 73 Tagen hat das Militär den Gazastreifen vollständig abgeriegelt, Tausende Trucks mit Nahrung, Wasser und medizinischer Hilfe stehen seit Wochen an den Grenzen. Die andauernde Blockade zwang die in Gaza führende nichtstaatliche Hilfsorganisation World Central Kitchen, die Arbeit ihrer gemeinschaftlichen Suppenküchen, die täglich 133.000 Mahlzeiten und 80.000 Laibe Brot zubereiteten, einzustellen, meldete Times of Israel am Donnerstag.
Bereits am Wochenende traf Außenminister Johann Wadephul (CDU) in Jerusalem ein und traf sich dort mit seinem Amtskollegen Gideon Saar und dem international gesuchten Netanjahu. Wadephul rechtfertigte Israels über zwei Monate währende Totalblockade des Gazastreifens in einer Pressekonferenz mit der Wiedergabe des israelischen Narrativs, »dass Hamas die humanitäre Hilfe missbraucht und den Menschen vorenthält«. Israel hat nie Beweise für diese Behauptung vorgelegt. Doch es sei »vollkommen klar«, so Wadephul, dass man der israelischen Regierung »ein völkerrechtswidriges Verhalten nicht vorwerfen kann«.
Unterdessen warnt eine UN-Sonderkommission zur Untersuchung israelischer Praktiken in den besetzten Gebieten vor einer zweiten »Nakba«, was die gewaltsame Vertreibung des Großteils der palästinensischen Bevölkerung im Zuge der israelischen Staatsgründung um 1948 meint. Die »Beschlagnahmung von Land« werde rasch ausgeweitet, was Teil der »umfassenderen kolonialen Bestrebungen« Israels sei, heißt es in dem am Freitag vom UN-Menschrechtskommissariat veröffentlichten Bericht weiter. In bezug auf Israels Kriegführung im Gazastreifen: »Es ist schwer, sich eine Welt vorzustellen, in der eine Regierung eine derart verwerfliche Politik betreibt, um eine Bevölkerung verhungern zu lassen, während nur wenige Kilometer entfernt Lastwagen mit Lebensmitteln bereitstehen. Doch das ist die kranke Realität für die Menschen in Gaza.« Und während die palästinensischen Behörden mittlerweile von über 52.000 im laufenden Krieg Getöteten ausgehen, ermittelte der britische Economist entsprechend der Methodik einer vom Fachblatt The Lancet durchgeführten Studie, dass die tatsächliche Zahl der Todesopfer bis zum 5. Mai zwischen 77.000 und 109.000 liegen könnte. Dies entspricht vier bis fünf Prozent der Vorkriegsbevölkerung Gazas.
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