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Aus: Ausgabe vom 13.05.2025, Seite 15 / Natur & Wissenschaft
Klimawandel

Die Geologie rebelliert

In Südafrika hebt sich die Erde, in den Alpen gibt sie nach. Warum in der Klimakrise Vulkane aktiver und Erdbeben sowie Tsunamis wahrscheinlicher werden
Von David Goeßmann
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Fast täglich erfahren wir, wie die Folgen der Erderhitzung sich verschlimmern. Stürme und Überschwemmungen haben vor kurzem einen Notstand in Neuseeland erzeugt. In Europa lagen die Temperaturen Anfang Mai in einigen Regionen an die 30 Grad Celsius, extreme Hitze bis zu 50 Grad herrschte in Pakistan. Dazu kommen Überflutungen in Italien im Zuge heftiger Regenfälle, während seit März in Südkorea tödliche Waldbrände auf die klimabedingte Trockenheit und Hitze zurückgehen. Während das vergangene Jahr in Europa das heißeste seit Wetteraufzeichnungen gewesen ist, sagen Wissenschaftler voraus, dass Millionen Europäer bis zum Ende des Jahrhunderts zusätzlich wegen extremer Temperaturen, meist Hitze, sterben werden.

Die vielfältigen zerstörerischen Effekte im Zuge der Klimakrise sind weithin bekannt – und, wie Forscher herausstellen, schlimmer als vorhergesagt. Die Gletscher schmelzen schneller, der Meeresspiegel steigt mit höherem Tempo, und Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen und Stürme fallen heftiger aus als erwartet.

Doch die globale Erderhitzung hat nicht nur Auswirkungen auf das, was auf ihrer Oberfläche passiert, also auf das Wetter, die Ökosysteme und die Biodiversität, sondern auch auf die Geologie der Erde selbst. In diesem Zusammenhang wurde jetzt eine überraschende Entdeckung von Wissenschaftlern des Instituts für Geodäsie und Geoinformation der Universität Bonn gemacht. Sie belegen die Erderwärmung als Verursacher für die Anhebung der Erdoberfläche in Teilen Südafrikas.

Federeffekt

Zwei Millimeter pro Jahr habe sich dort die Erdkruste in den letzten 20 Jahren gehoben, so die Auswertung von GPS-Daten. Lange wurde das mit sich ausdehnendem Magma und Gas im Erdinneren erklärt. Doch die neue Studie kann zeigen, dass ein großer Teil tatsächlich auf das Konto von durch den Klimawandel forcierten Dürren geht. Es ist eine Art Federeffekt. Da immer mehr Grund- und Oberflächenwasser in den extremen Trockenzeiten der vergangenen Jahre verloren gegangen ist, wurde die Erdkruste leichter und federte daher nach oben, so Studienleiter Makan Karegar.

Nun ist Südafrika insgesamt ein Land, das sehr stark von der Klimakrise getroffen wird. Es erwärmt sich doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt, wird von starkem Extremwetter heimgesucht wie Stürmen, heftigen Regenfällen und massiven Überschwemmungen, gepaart mit Hitzewellen und sich immer stärker ausweitenden Dürreperioden.

Da die südafrikanischen Küsten im Zuge der Klimaverwüstungen stark erodieren, könnte man geneigt sein, die Erdanhebung als »Glück im Unglück« zu bezeichnen: Das Meer steigt zwar an, aber Teile der Küstengebiete gehen ebenso nach oben. Jasper Knight, Geowissenschaftler an der Universität von Witwatersrand in Johannesburg, sieht das jedoch anders: »Das geht natürlich auf Kosten von weniger Wasser auf der Landoberfläche. Und wenn ich mich hier zwischen einem sinkenden Meeresspiegelanstieg an der Küste und einer Dürre im Landesinneren entscheiden müsste, würde ich den Meeresspiegel als die am wenigsten schlimme Option wählen.«

Der Befund der jüngsten Studie, dass Erhitzung fähig ist, die Erdkruste anzuheben, ist Zeugnis dafür, wie tief der Klimawandel in das Erdsystem eingreift. Es ist sicherlich schon lange bekannt, dass Klima und geologische Prozesse wie die Verwitterung von Gesteinen, die Kohlenstoff- und Wasserkreisläufe, Bodenerosion und tektonische Verschiebungen bis hin zum Vulkanismus eng miteinander verflochten sind. Seit einiger Zeit jedoch geraten die Auswirkungen, die die Klimaveränderung auf diese Prozesse hat, stärker in den Fokus.

Das hat auch mit Ereignissen zu tun, die Medienaufmerksamkeit erlangt haben. Erdrutsche nach Starkregen haben in Ländern insbesondere in ärmeren Regionen ganze bebaute Hänge dem Erdboden gleich gemacht. Viele tausend Menschen sterben dabei jedes Jahr, Ökosysteme und Infrastrukturen werden vernichtet. In den Alpen nehmen Schlammlawinen, sogenannte Muren, die sich in die Täler ergießen und ganze Orte unter sich begraben, im Zuge von extremen Wetterlagen ebenfalls zu. Manche enge Täler müsste man wohl in einigen Jahrzehnten aufgeben, prognostizieren Forscher, weil die Risiken im Zuge der Erderhitzung zunähmen. Aber noch befänden wir uns im Anfangsstadium.

Tauender Permafrost

Vor allem der auftauende Permafrost in Bergregionen stellt eine wachsende Gefahr dar. Permafrost bezeichnet Erdschichten, die dauerhaft gefroren sind. In den Bergen stellt ihr Aufweichen eine tickende Zeitbombe dar, weil dadurch Hänge instabil werden und Felsen abbrechen. Eine Studie spricht davon, dass allein in der Schweiz 152 Berghütten durch den auftauenden Dauerfrost gefährdet sind.

Zudem speichert der Permafrost große Mengen an Methan, einem sehr aggressiven Treibhausgas, das 21mal wirkungsvoller als Kohlendioxid (CO2) ist. 1.500 Milliarden Tonnen Kohlenstoff sind nach Schätzungen im Permafrost gebunden. Dagegen nehmen sich die rund 40 Milliarden Tonnen CO2, die heute jedes Jahr in die Atmosphäre gelangen, recht klein aus.

Bisher sind schon ein erheblicher Verlust von Gletschern und Permafrostregionen, ein Anstieg des Meeresspiegels, das Verschwinden von Landfläche, instabile Küsten, sich verkleinernde Aquifere (große Wasserspeicher unter der Erde) und voranschreitende Wüstenbildung zu beobachten. Weniger bekannt ist, dass die Vulkantätigkeit durch den Klimawandel wahrscheinlich verstärkt wird, wobei das Abschmelzen von vergletscherten Gebieten als Grund für die Zunahme angesehen wird. Zugleich wirke auch der Anstieg des Meeresspiegels als Treiber, weil die Umverteilung von Wasservolumen auf der Erde zu einer »Stressakkumulation« und mehr Vulkanaktivität führt.

Mit der steigenden Wassermasse in den Ozeanen nimmt zugleich die Wahrscheinlichkeit zu, dass an den Grenzen der Erdplatten, den Gräben, Rinnen und Verwerfungen, submarine Brüche stattfinden, und damit Erdbeben und Tsunamis auslösen. Eine Studie der Royal Society blickt daher besorgt in die Zukunft: »Der vom Menschen verursachte Klimawandel hat daher das Potential, das Risiko geologischer und geomorphologischer Gefahren durch das 21. Jahrhundert und darüber hinaus zu verändern.«

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