Den Angriffen trotzen
Von David Maiwald
Aufrüstung und Krieg, Angriffe auf Arbeitszeit und Arbeitsrechte: Die Herausforderungen, vor denen aktive Gewerkschafter aktuell stehen, sind enorm. Am Freitag startete in Berlin die Konferenz »Gewerkschaftliche Erneuerung« der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS). Die nun sechste »Streikkonferenz« läuft unter dem passenden Motto »Gegenmacht im Gegenwind« und verzeichnete bereits einen Rekord bei den angemeldeten Teilnehmern. So freute sich RLS-Referent Florian Wilde im jW-Gespräch am Freitag über die »größte gewerkschaftspolitische Konferenz seit Jahrzehnten«. Mehr als 2.000 Menschen wollten das dreitägige Format mit Vorträgen und Praxisworkshops an diesem Wochenende besuchen. Zur letzten Konferenz im Jahr 2023 in Bochum kamen rund 1.550 Menschen zusammen. Wie in den vergangenen Jahren sind auch nun wieder regionale Gewerkschaftsgruppen und Aktive aus dem gesamten Bundesgebiet beteiligt.
Zur Auftaktveranstaltung im Audimax der Technischen Universität (TU) Berlin grüßte die Berliner Landesbezirksvorsitzende der Gewerkschaft Verdi, Andrea Kühnemann, an den Arbeitskampf von Beschäftigten der Charité-Servicetochter CFM. Die Kolleginnen und Kollegen würden den unbefristeten Streik dort fortsetzen, »so lange es geht«, erklärte Kühnemann unter lautem Beifall im vollbesetzten Saal. In seinem Grußwort an die Konferenz erinnerte der RLS-Vorsitzende Heinz Bierbaum an die Selbstverpflichtung der Gewerkschaften für Frieden und Abrüstung. Er bedauere, dass sich nur eine Minderheit auch aktiv für diese Grundsätze ausspreche – hätten sich Konversionsinitiativen für eine Entwicklung von militärischer- hin zu ziviler Produktion eingesetzt, »ist es heute leider das Gegenteil«. Gewerkschaften seien jedoch gefordert, ihr gesellschaftspolitisches Mandat auch »eigenständig« wahrzunehmen.
Zuvor hatte das inhaltliche Programm am Nachmittag die Herausforderungen adressiert. Über die Fallstricke des hiesigen Streikrechts klärten die Arbeitsrechtler Mechthild Garweg und Daniel Weidmann auf. Während beim Verbot des politischen Streiks durch wichtige Initiativen »noch nicht die letzte Messe gesungen« sei, gestalte sich der legale Rahmen auch so schon tückisch genug, stellten die Arbeitsrechtler klar. Ein kompliziertes Feld, das zuweilen von der einen oder anderen Kammer eines Gerichts abhängt. Als Beispiel diente der Berliner Kitastreik, in dessen Aufruf das Arbeitsgericht Forderungen formuliert sehen wollte, die bereits im Flächentarifvertrag erfüllt seien. Diese »Erwartungen« kosteten die Kolleginnen und Kollegen den Arbeitskampf.
Wie sich viele Kolleginnen und Kollegen in der Diskussion von Streikforderungen und Verhandlungsergebnissen einbeziehen lassen, debattierte der Workshop »Bargaining for the common good« (Verhandeln für das Allgemeinwohl). Arbeitskämpfe bei der Lufthansa und in der Krankenhausbewegung hätten mit ständiger Rückkopplung und Tarifbotschafterinnen gezeigt, welche die Diskussion immer wieder in die Belegschaft tragen und damit mehr Kolleginnen und Kollegen beteiligen konnten. So habe sich etwa in der Krankenhausbewegung in Nordrhein-Westfalen, aber auch beim jüngsten Tarifkampf bei der BVG gezeigt, »dass sich in einer einzigen Tarifrunde völlig neue, wirksame Strukturen schaffen lassen«.
Wo Strukturen hierzulande unter Beschuss stehen, thematisierte die Podiumsdiskussion zu »Ursachen und Gegenwehr«, dem Rechtsruck in Betrieb und Gesellschaft am Abend. Die Runde aus Verdi-Sekretärin Lisa Baumeister, IG Metall-Vorständin Chaja Boebel, dem Braunschweiger Volkswagen-Betriebsrat Mark Seeger, der ehemaligen Linke-Landessprecherin und Verdi-Sekretärin Katharina Schwabedissen und Linke-Parteivorsitzenden Ines Schwerdtner. Dass sich Rechte, hiermit waren vor allem Strukturen der AfD in Betrieben gemeint, weiter ausbreiten könnten, sei nicht bloß auf AfD-Politik, sondern auch auf die Regierungslinie der vergangenen Jahre, etwa die »Agenda 2010« zurückzuführen, erklärte Verdi-Sekretärin Baumeister dabei. VW-Betriebsrat Seeger identifizierte zudem einen »Paradigmenwechsel« der gewerkschaftlichen Betriebsarbeit: Die »Sozialpartnerschaft« gelte für die Unternehmerseite nicht mehr, was viele Betriebsräte überfordere. Weil aktive Gewerkschafter durch andauernde Herausforderungen zunehmend belastet würden, werde es schwieriger, mit Kolleginnen und Kollegen ins Gespräch zu kommen.
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