Weitermachen ohne Waffen
Von Tim Krüger
Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hat nach eigenen Angaben in der vergangenen Woche ihren Kongress abgehalten. Das ließ die Organisation am Freitag über nahestehende Nachrichtenagenturen vermelden. Die Ergebnisse des Kongresses, die »historische Bedeutung« für die Arbeit der PKK hätten, würden in naher Zukunft der Öffentlichkeit bekanntgegeben. Einen konkreten Termin dafür nannte die PKK allerdings nicht.
Zu erwarten steht aber, dass sie dem Aufruf ihres Gründers Abdullah Öcalan nachgekommen ist, die Waffen niederzulegen und sich aufzulösen. Der 76jährige Öcalan, der seit 1999 in der Türkei in Haft sitzt, hatte diese Forderung Ende Februar nach einer Reihe von Gesprächen mit Vertretern der prokurdischen DEM-Partei und vermutlich auch mit Vertretern der türkischen Regierung in einer Erklärung »für Frieden und eine demokratische Gesellschaft« aufgestellt.
Der PKK-Kongress war in der Türkei mit Anspannung erwartet worden. Unbekannt war bis zuletzt, wann und in welcher Form die Zusammenkunft überhaupt stattfinden konnte. Denn trotz eines von den bewaffneten Einheiten der PKK verkündeten Waffenstillstands hatte die türkische Armee ihre Angriffe auf die Guerillagebiete im Nordirak fortgesetzt. Auch jetzt herrscht keine Kenntnis darüber, an welchem Ort beziehungsweise in welcher Form die Tagung stattgefunden hat. In der türkischen Presse wurde über eine Videobotschaft Öcalans und seiner Mitgefangenen spekuliert. Die PKK bestätigte jedenfalls, man habe die Beschlüsse auf der Grundlage von Öcalans Vorschlägen gefasst.
Der türkische Präsident Erdoğan begrüßte die Entwicklungen. Man erwarte bald »gute Nachrichten« und werde nicht auf Tricksereien hereinfallen, die die Region in Blut, Chaos und Tränen gestürzt hätten. Seit Oktober hatten Vertreter der Regierung immer wieder davon gesprochen, dass sie die kurdische Frage in der Türkei einer Lösung zuführen wollen, um die Türkei angesichts der sich verändernden geopolitischen Situation in der Region zu stabilisieren. Erdoğans Koalitionspartner Devlet Bahçeli von der nationalistischen MHP hatte immer wieder davon gesprochen, die Türkei befinde sich in einem »Ring aus Feuer«.
Die DEM-Partei begrüßte die Nachricht vom Kongress und sprach von einem Schritt zur »Entwicklung des Friedens und der demokratischen Politik«. Weder in den Bergen noch in der Stadt sollten weitere junge Menschen fallen. Die Erfolgsgarantie für eine demokratische Zukunft der Türkei liege jetzt in den Händen der türkischen Regierung. Ende April hatten sich Vertreter der DEM-Partei schon mit dem türkischen Justizministerium getroffen. Dabei soll es neben Haftverbesserung für Öcalan auch um die Tausenden politischen Gefangenen sowie einen »Terror«-Paragrafen gegangen sein, von dem die türkische Justiz seit Jahren zwecks Repression gegen die politische Opposition Gebrauch macht.
In den türkischen Medien wird derweil vor allem über die Zukunft der Mitglieder beziehungsweise Kämpfer der PKK diskutiert. Wo könnten die Führungskader der Organisation unterkommen, wie geht die Justiz mit den einfachen Mitgliedern der Organisation um? Eine zentrale Frage dürfte sein, wie Versöhnung zwischen Türken und Kurden in der Türkei gelingen soll. Nach mehr als 40 Jahren des Kampfes und Zehntausenden Toten auf beiden Seiten sind die Gräben tief. Sie werden wohl kaum allein durch juristische Entscheidungen überwunden werden.
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